gesellschaftlichen Diskursen unterworfen, dem auch analytische Wertbefunde
unterliegen.
2.7. »Klassisch« – schön, zeitlos und doch der Zeit verbunden so historisch
»[D]as letzte Produkt der sich immer steigernden Natur ist
der schöne Mensch. [...] [G]enaugenommen kann man sagen,
es sei nur ein Augenblick, in welchem der schöne Mensch
schön sei. Dagegen tritt nun die Kunst ein: denn indem der
Mensch auf den Gipfel der Natur gestellt ist, so sieht er sich
wieder als eine ganze Natur an, die in sich abermals einen
Gipfel hervorzubringen hat. Dazu steigert er sich, indem er sich
mit allen Vollkommenheiten und Tugenden durchdringt, Wahl,
Ordnung, Harmonie und Bedeutung aufruft und sich endlich bis zur
Produktion des Kunstwerkes erhebt, [...]. [...] Der Gott war zum
Menschen geworden, um den Menschen zum Gott zu erheben. [...]
Für diese Schönheit war Winckelmann, seiner Natur nach, fähig; er
ward sie in den Schriften der Alten zuerst gewahr, aber sie kam ihm
aus den Werken der bildenden Kunst persönlich entgegen, aus denen
wir sie erst kennen lernen, um sie an den Gebilden der lebendigen
Natur gewahr zu werden und zu schätzen«
(Johann Wolfgang von Goethe 1998b, Bd.12: 102f.).
Trotz des unsicheren Gesellen Kommunikation herrscht bisweilen Einvernehmen darüber,
was hohen Wert beweist und die Verlustbeschreibung »unersetzlich« erklärt. Aus der
Verfügbarkeit der Kunst wird dabei im wesentlichen Maße eine Wertschätzung abgeleitet
und der Faktor Zeit spielt hierbei eine gewichtige Rolle: Je älter eine Musik ist, umso
weniger wird darum noch gestritten. Mehr noch: »Im Unterschied zu anderen Werken
werden die klassischen mit der Zeit immer besser« (Luhmann 1995: 212), was weniger
mit der Qualität der Musik zu tun hat (die sie unbestritten haben kann oder hat, unter
der Einschränkung: sofern Kommunikation das nur will), als vielmehr mit der Irrelevanz
oder mangelnden Projektionskraft vergangener Musikstile für die lebendige Gegenwart
der Musik. Und das diskreditiert mitnichten die Musik noch Personen. Man
mag heute so komponieren wie Bach, Händel oder Beethoven es einst taten,
wirkliche Anerkennung – außer als Fingerübung – findet eine solche Musik in der
Regel nicht. Über den Dirigenten Lorin Maazel, der auch als Komponist Noten
setzt, heißt es so nicht von ungefähr in der Wochenzeitschrift »Focus«: »Mut
beweist er immerhin, denn die von ihm praktizierte harmonisch-tonale Musik mit
Lautmalerei à la Strauß gilt in Kreisen der Moderne als verpönt. ›Diese Reproduktion
irgendwelcher Modelle gibt es ja oft in der Kapellmeistermusik‹, stichelt Zender. So
nennt der Avantgardist leicht abschätzig ›Stücke von Dirigenten, die auch mal
was schreiben‹« (Dolak 2002: 68). Die Avantgarde schätzt im Glauben an den
Fortschritt die Tradition, sofern sie die Gegenwart bloß nicht mit »neuen«
Werken im Stile der Tradition bevölkert. Adorno berichtet dergestalt auch von
den Bemühungen Ernst Kreneks, der die Tonalität nach ihrer Überwindung
wiederzubeleben suchte und sich schließlich von ihr wieder abwandte. »Vor
ungefähr dreißig Jahren hat Ernst Krenek nach wilden atonalen Ausbrüchen
versucht, wieder tonal zu schreiben. Seine Theorie war, der Tonalität wohne
jener Ursinn inne, den es wiederherzustellen gelte. Krenek hat –