Manuskript,
Buch und
Computer wider. Vorab sei festgehalten: Das Praktische an Schemata ist, dass
sie anschaulich sind, das Unpraktische, dass sie immer so grob vereinfachend sind, dass
sie vieles, was gleichermaßen der Berücksichtigung bedürfte, ausgrenzen. Dass neben
Medien noch anderes sich mit dem menschlichen Bewusstsein rückkoppelt,
ist keine Erkenntnis, sondern eine Trivialität und im Grunde unerheblich zu
erwähnen.
Versuchen wir in aller gebotenen Kürze das folgende Schaubild zu kommentieren: Was
immer in Büchern ausgedrückt wird, bedarf im Zuge der fehlenden Möglichkeit eines
Nachfragens des klaren, logischen Gedankens, dem Schreibende wie Lesende
folgen, wobei das Geschriebene erst am Ende einer Zeile sich entschlüsselt. »Die
Geste des Schreibens gehorcht einer spezifischen Linearität. [. . . ] Als historische,
logische, wissenschaftliche und progressive Form füllen wir sie aus, als eine
Form auch, die infolge des spezifisch linearen Charakters unserer Geste des
Schreibens unumkehrbar ist« (Flusser 1991: 40f.). Der Geste des Schreibens, von der
Flusser spricht, ist ein zielgerichtetes Moment und teleologisches Motiv inhärent.
Ähnliches gilt für das Buch. Darin zeigt das Buch eine Verwandtschaft zur
Schrift-, zur Manuskriptkultur. Im Unterschied zu dieser ist der zeilengemäße,
geradlinige Gedanke im Buch allerdings vervielfacht, denn wer immer ein Buch in
Händen hält, mag sich so seine eigenen Gedanken machen, während zu Zeiten der
Manuskriptkultur es stets einen Interpreten gab, der – keinen Zweifel erlaubend
– einzig den verkündeten Sinn gelten ließ. Im Zuge der Vervielfachung von
richtungsweisenden Gedankenleistungen ergeben sich unterschiedliche Wege wie
Ziele und die Verabschiedung des rechten Verkünders von Botschaften, die
stets im Himmelsreich nur endeten und das Diesseits grob vernachlässigen. Der
Widerspruch ist mit dem Buch nunmehr zugelassen und die Wissenschaft auf den Weg
gebracht. Man ist nicht mehr allein zu »glauben« genötigt, sondern das seinerzeit
prägnanterweise so genannte Buch der Natur, das den Menschen umfängt,
ist nunmehr zu »erklären« versucht. Die Vernunft auf der einen Seite sieht
sich – in Zeilen gefügt – den Lauf der Welt erklären und kann auf der anderen
Seite – eigene Befindlichkeiten in Worte gefasst – zu diesen kritisch in Abstand
gehen und ein Selbstverständnis aufbauen. Das bringt das Selbstbewusstsein
auf Trab und gebiert Autorenpersönlichkeiten, wo vordem Mensch allein als
dienendes Sprachrohr, bloßer Kopist auch im Dienste oder als Medium Gottes
sich empfand. Wer immer schreibt und sich im Rahmen der Buchkultur eines
Gutenberg bewegt, hat sich aber zugleich auch zu bescheiden, denn Bücher haben
einen Anfang und ein Ende, was das Archiv zum begrenzten macht und ganz
unbescheiden dann den Gedanken von abgeschlossen vollendeten Werke fassen
lässt.
Gründete die Form des Buches das »Prinzip Text«, wie Peter Sloterdijk sagt, »in der
Begrenzbarkeit der Fäden und Gewebe« (Sloterdijk 1993: 57), so erweist sich nunmehr
dieses Prinzip aufgehoben im Medium des Unbegrenzten. Mochte es gedanklich
zuvor so erscheinen, daß die Welt alles ist, »worauf am Ende ein Punkt folgen
könnte« (ebd.: 58), so mit dem »Prinzip Knoten oder Schnittpunkt« (ebd.:
59) der unablässige Verweis auf anderes. Man könnte auch so sagen: Statt des
schließenden Punktes steht am Ende jeder Zeile der auf anderes verweisende
Doppelpunkt. Mit dem Computer umzugehen impliziert die aktive Webarbeit,
was auch zuvor schon das menschliche Sein bestimmte, doch im Unterschied
dazu