einerseits neue
Ideen ermöglichen, aber auch Gedankenarbeit beschränken. »Diese verdammten
Klavierfinger, die über dem ewigen Üben und Meistern an ihnen endlich eine Art von
Selbstständigkeit und eigenwilligen Verstand erhalten, sind bewußtlose Tyrannen
und Zwingherren der Schöpfungskraft«, so Carl Maria von Weber
in seinem
Roman »Tonkünstlers Leben« (zitiert nach Kroll
1934: 65), was verdeutlicht, dass
das Setzen der Finger nach Instrumentenvorschrift Kompositionsprozesse in
Bahnen lenkt (zur weiteren Vertiefung und für weitere Beispiele, vgl. Schläbitz
1997: 41–48). Mediale Wirkungen anzuerkennen oder auch nur durchzudenken
unterstellt, dass der menschliche Wille so frei nicht ist, sondern von einem
technischen Moment zumindest ansatzweise beeinflusst oder gar durchdrungen. Das
klingt mancherorts unsympathisch. Wo man zuvor individuelle Schöpferkraft
und gar Genie vermutete, die zu verstehen gesucht worden sind, walten immer
auch wieder erklärbare Mensch-Maschine-Schaltungen. Damit wiederum werden
bedeutungsvolle Geistvorstellungen nicht mehr auf der Ebene der Transzendenz,
sondern auf der Ebene der Immanenz oder auf der Ebene des Transzendentalen
verhandelt, sofern man Medien im Sinne von McLuhan
als Erweiterungen der Sinne
ansieht.
2.3. Das Medium als Werkzeug
»Ich beherrsche nur die Sprache der anderen. Die meinige macht
mit mir, was sie will«
(Karl Kraus 1986: 326).
Medien wirken, nehmen Einfluss auf Verschaltungen von neuronalen Synapsen, die im
Zusammenstand Gedanken heißen und Ideen implizieren. Das wäre eine Position. Ein
andere Position, die zuweilen auch in der Musik zu vernehmen ist, vertritt die
Auffassung, von einem Medium, das Einfluss auf Geistesprozesse nähme, könne keine
Rede sein, und erklärt ihr Handwerkzeug zum wertneutralen. Wo der mediale Geist auf
diese Weise negiert wird und vom störungsfreien Werkzeug die Rede ist, das ganz im
Sinne eines originären Willens waltet und Geistesbotschaften sich ausdrucksvoll
verwirklichen, glaubt man dem schöpferischen Menschen in seinem natürlichen
Wirken gerecht zu werden. Das korrespondiert zunächst einmal mit der über
Jahrhunderte gepflegten Vorstellung, die auch im Medium Sprache ein schlichtes
neutrales Mittel zum Ausdruck von Gedankenarbeit sah. Im letzten Jahrhundert
nun wurde das Verhältnis von Sprache und Gedanken neu bestimmt, als – mit
Wittgenstein – die Einsicht reifte, dass Gedanken und daraus abgeleitete Erkenntnisse
abhängig sind von dem Mittel Sprache und dessen Leistungen. »Die Sprache ist
nach Wittgenstein nicht nur eine Bedingung des Denkens; sie, [. . . ], ist das
Denken selbst« (Steinvorth 1994: 53). Seitdem ist von der linguistischen Wende
in Philosophie respektive in der Geisteswissenschaft insgesamt die Rede. Das
Mittel oder anders ausgedrückt das Medium konstituiert unser Sein, indem
es durch ein Repertoire von Zeichen den Blick auf die Welt verstellt und so
maßgeblich mitbestimmt, welche Erkenntnisse über die Welt überhaupt möglich
sind. Deutlich wird hier, dass man damit natürlich ganz in der Tradition der
Sprachwissenschaft um Wilhelm von Humboldt, Martin Heidegger, Benjamin
Lee Whorf und eben Ludwig Wittgenstein steht, wonach das Medium Sprache
nicht allein Mittel zum Ausdruck von Vorstellungen ist, sondern eindrücklich
Vorstellungen und folglich Bedeutungen formt.