- 28 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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Prognosefähigkeiten, dass er eines Tages so natürlich wirkt wie die künstlichen Prothesen Klavier, Geige . . . usf.

2.2.  Theorie der Medien – oder: Das Werkzeug als Medium

»Der Mensch spricht also, aber er tut es, weil das Symbol ihn zum
Menschen gemacht hat«

(Jacques Lacan3 1991: 117).

Die Komplexität der Musik ist aus dem Rückkopplungsgeflecht von Mensch und technischem Instrument gewonnen. Somit gründet die europäische Kunstmusik – bezogen auf die eben herausgestellte Leitdifferenz »echt/unecht« – im »Unechten«. Technische Medien – wie die (verinnerlicht lautliche/symbolische) Schrift, Musikinstrumente und heute der universal einsetzbare Computer – spielen bei der Gestaltung unserer Surrogatwirklichkeit in der Musik eine wesentliche Rolle. Der Versuch, sich rückzubeziehen auf etwas wirklich Echtes endet ganz offensichtlich immer im Unechten: im zu Unrecht vernachlässigten Signifikanten, was in differenzierter Form im Folgenden noch weiterhin erörtert werden wird. Der Zugriff auf Welt läuft über den Umweg von Signifikanten, die wiederum von Medien auf den Weg gebracht und von ihnen umfasst sind.

So gilt es des Weiteren die hier postulierte Theorie der Medien zu präzisieren, denn der Medientheorien gibt es unterschiedliche. Angesprochen ist im Folgenden jene, die mit Marshall McLuhan verbunden ist, dessen Forschungsinteresse darauf ausgerichtet zu ergründen war, inwiefern Speicherbedingungen Kommunikationswelten und Bedeutungshorizonte verändern. Ausgedrückt ist dies in dem wohl hinlänglich bekannten Satz: »Das Medium ist die Botschaft«, der, was zu begrüßen ist, in Nordrhein Westfalen mittlerweile auch in ministerielle Denkschriften wie Rahmenrichtlinien (zumindest im Fach Deutsch) umfänglich Eingang und Würdigung gefunden hat.

Die Frage ist also, wie technische Bedingungen Ideenwelten »prägen«. Und eine Antwort könnte lauten: Ohne Papier und Notenschrift wäre die konstruktive Gestaltung von Klang in horizontaler wie vertikaler Richtung – die Idee Symphonie (oder Sonate oder Fuge . . . etc.) in all ihren Facetten – gar nicht vorstellbar gewesen. Papier und Notenschrift tragen eine immanente Botschaft – zum Beispiel eben die angeführte Idee »Symphonie« – in sich, die Komponisten dann weniger erfinden als vielmehr entdecken, da sie – Schatzsuchern nicht unähnlich – den gewählten medialen Kontinent im Zuge von Ansichten nach verborgenen musikalischen Einsichten erforschen. Eine Symphonie wird zur personalen Angelegenheit nur deshalb, weil die Medien, die sie ermöglichen, Papier und Notenschrift, bei der Betrachtung von Musik als Hintergrundgeschehen gar nicht in den Blick geraten. Ganz ähnlich argumentiert – wie noch zu sehen sein wird – Pierre Boulez, der sich über den Zusammenhang von Musik und Instrument seine Gedanken gemacht hat. Zu sehr bleibt die Aufmerksamkeit gerichtet auf das Ergebnis in Klang bzw. Schrift. Wenn ein Medium nicht allein als bloßer Neutralität beweisender Träger von Sinn und Bedeutung benannt ist, sondern auch als Bewusstsein gestaltende Kraft, wird demnach auf einen Rückkopplungsprozess zwischen Mensch und Medium abgehoben. Schöpfergeist ist immer auch auf mediale Voraussetzungen zurückzurechnen, die


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