Prognosefähigkeiten, dass er
eines Tages so natürlich wirkt wie die künstlichen Prothesen Klavier, Geige
. . . usf.
2.2. Theorie der Medien – oder: Das Werkzeug als Medium
»Der Mensch spricht also, aber er tut es, weil das Symbol ihn zum
Menschen gemacht hat«
(Jacques Lacan3 1991: 117).
Die Komplexität der Musik ist aus dem Rückkopplungsgeflecht von Mensch und
technischem Instrument gewonnen. Somit gründet die europäische Kunstmusik – bezogen
auf die eben herausgestellte Leitdifferenz »echt/unecht« – im »Unechten«. Technische
Medien – wie die (verinnerlicht lautliche/symbolische) Schrift, Musikinstrumente und
heute der universal einsetzbare Computer – spielen bei der Gestaltung unserer
Surrogatwirklichkeit in der Musik eine wesentliche Rolle. Der Versuch, sich
rückzubeziehen auf etwas wirklich Echtes endet ganz offensichtlich immer im Unechten:
im zu Unrecht vernachlässigten Signifikanten, was in differenzierter Form im Folgenden
noch weiterhin erörtert werden wird. Der Zugriff auf Welt läuft über den Umweg von
Signifikanten, die wiederum von Medien auf den Weg gebracht und von ihnen umfasst
sind.
So gilt es des Weiteren die hier postulierte Theorie der Medien zu präzisieren, denn
der Medientheorien gibt es unterschiedliche. Angesprochen ist im Folgenden jene, die mit
Marshall McLuhan verbunden ist, dessen Forschungsinteresse darauf ausgerichtet zu
ergründen war, inwiefern Speicherbedingungen Kommunikationswelten und
Bedeutungshorizonte verändern. Ausgedrückt ist dies in dem wohl hinlänglich bekannten
Satz: »Das Medium ist die Botschaft«, der, was zu begrüßen ist, in Nordrhein
Westfalen mittlerweile auch in ministerielle Denkschriften wie Rahmenrichtlinien
(zumindest im Fach Deutsch) umfänglich Eingang und Würdigung gefunden
hat.
Die Frage ist also, wie technische Bedingungen Ideenwelten »prägen«. Und eine
Antwort könnte lauten: Ohne Papier und Notenschrift wäre die konstruktive Gestaltung
von Klang in horizontaler wie vertikaler Richtung – die Idee Symphonie (oder Sonate
oder Fuge . . . etc.) in all ihren Facetten – gar nicht vorstellbar gewesen. Papier und
Notenschrift tragen eine immanente Botschaft – zum Beispiel eben die angeführte Idee
»Symphonie« – in sich, die Komponisten dann weniger erfinden als vielmehr entdecken,
da sie – Schatzsuchern nicht unähnlich – den gewählten medialen Kontinent im Zuge von
Ansichten nach verborgenen musikalischen Einsichten erforschen. Eine Symphonie wird
zur personalen Angelegenheit nur deshalb, weil die Medien, die sie ermöglichen, Papier
und Notenschrift, bei der Betrachtung von Musik als Hintergrundgeschehen gar
nicht in den Blick geraten. Ganz ähnlich argumentiert – wie noch zu sehen
sein wird – Pierre Boulez, der sich über den Zusammenhang von Musik und
Instrument seine Gedanken gemacht hat. Zu sehr bleibt die Aufmerksamkeit
gerichtet auf das Ergebnis in Klang bzw. Schrift. Wenn ein Medium nicht allein
als bloßer Neutralität beweisender Träger von Sinn und Bedeutung benannt
ist, sondern auch als Bewusstsein gestaltende Kraft, wird demnach auf einen
Rückkopplungsprozess zwischen Mensch und Medium abgehoben. Schöpfergeist ist
immer auch auf mediale Voraussetzungen zurückzurechnen, die