Die zentral gestellten poststrukturalistischen Theorien von Dekonstruktivismus und
Systemtheorie zeigen mancherlei Nähe und Überschneidungen, wie der systematische
Vergleich zeigt (vgl. Binczek
2000). Eines ist ihnen auf alle Fälle gemeinsam: Mit der
Verabschiedung eines Identitätsglaubens, der mit sich selbst im Reinen ist und dem
Herausstellen der Differenz wird Identität stets vor dem Hintergrund und in Abgrenzung
von einer Umwelt (was auch immer) betrachtet. Einheit gründet danach in einer
Zweiheit, bekundet damit keine Statik, sondern Dynamik. Von Verhältnissen,
Beziehungen, Netzwerken wird vielfach die Rede sein, von Spuren, die zu keinem Anfang
und zu keinem Ziel führen, sondern sich verlieren. Unter veränderten Blickwinkeln
wird die Beziehung zwischen Identifiziertem und Umwelt sich immer wieder
ändern. Was unter dem einen Blickwinkel nicht aufscheint, mag dann unter
dem anderen in den Vordergrund rücken. Das führt zu manchen, teilweise eher
unüblichen Sichtweisen, die wundern, vielleicht ärgern, vor allem aber auch anregen
sollen.
2.1. Theoriedesign: Leitdifferenz ›echt/unecht‹
»Hier tritt mit dem Schwergewicht seiner Plumpheit der
Banausenbegriff von der ›Kunst‹ auf, dem jede technische
Erwägung fremd ist und welcher mit dem provozierenden
Erscheinen der neuen Technik sein Ende gekommen fühlt«
(Walter Benjamin 1977: 48).
»Ein manichäisches Denken, dem das Natürliche als authentisch,
gut und echt, das Künstliche als maskierend, böse und falsch
erscheint, ist nicht an der Zeit«
(Manfred Geier 1999: 27).
Im Zuge des poststrukturalistischen Ansatzes möchte ich das Gesamt der Arbeit explizit
von einer Leitunterscheidung geprägt sehen. Es ist dies die zweiwertige Unterscheidung
von ›echt/unecht‹. Unschwer wird dabei dem ersten Wert Positives abgewonnen,
und dem zweitem – der als Reflexionswert zugeordnet ist – eher nicht. Die
Auseinandersetzung um ein ›Echtsein‹ oder nicht ist wesentlich in einer Arbeit, die das
Internet behandelt, das von vielen Seiten von vornherein als ein künstliches, dem Echten
entzogenes Medium betrachtet und entsprechend negativ qualifiziert wird. Bezogen auf
die nicht abreißende Diskussion um die Neuen Medien haben diese es danach schwer
gesellschaftlich akzeptiert zu werden.
- Wer stundenlang im Internet surft, wird – sofern dies obendrein noch des Öfteren
geschieht – Wirklichkeitsverlust bescheinigt, wer dagegen ein Buch liest – wobei
über dessen Güte noch nichts ausgesagt ist – hat es ungleich leichter auf positive
Resonanz zu stoßen.
- Wer mit dem Computer musiziert, wird – außer unter Gleichgesinnten – es schwer
haben, als Musiker anerkannt zu werden. Wer dagegen Klaviersaiten zum Schwingen
bringt, kann mit Akzeptanz von allen Seiten rechnen.
Das Echte ist das Wahre, man könnte auch sagen, im Echten, Originären spiegelt sich ein
transzendentales Signifikat, das Präsenz beweist, das Unechte dagegen ist bestenfalls ein
kläglicher Ersatz. Ihm wird als Signifikant – also als Repräsentant von etwas – ein
Mangel bescheinigt. Die Kritik am Signifikanten kann dann lauten: