- 2 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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unterschiedlichen Gemeinschaften, denen sie zu einem bestimmten Zeitpunkt angehören« (Bolter 1997: 50).

Dass Medientechnologie Gattungen und Stile mitbedingt und Ideen zuweilen erst reifen lässt, ist das eine (und zu wissen im Grunde genommen ein Allgemeinplatz mittlerweile), dass darüber hinaus bspw. durch Tauschbörsen im Internet Wertschätzungen der Musik gegenüber neu definiert werden, ist das andere, was über die Musik hinaus auch das Medium Internet zum Gegenstand der Untersuchung erhebt. Schon hier wird deutlich, dass die Grenzlinie zwischen Internet und – sagen wir mal unvorsichtigerweise – »eigentlicher wirklicher« Welt fließend ist. Nicht nur die Musikindustrie kann – bezogen auf das Beispiel der Tauschbörsen – darüber berichten. Die eine Welt bedingt die andere, und die so bedingte Welt zeigt sich rückgekoppelt und beeinflusst das, von dem es sich bedingt zeigt. Aus eben diesem Grunde einer Rückkopplungsschleife, die sonderbare Attraktoren ausbilden mag, beschäftigt sich die Arbeit auch nicht allein mit der Musikkommunikation und Jugendsozialisation im Internet, sondern mit der von »Hard-Net« (mit unserer so vertrauten materiellen Welt) und »Soft-Net« (mit der programmatisch verfügten virtuellen Welt). Wer das Internet auf seine Einflussgrößen in einem bestimmten Rahmen untersuchen will, kommt nicht umhin, auch Einflussgrößen – aus anderen Richtungen kommend – zu untersuchen.

Die kurzen Ausführungen zu Beginn verdeutlichen, dass das Internet im Rahmen von Musikkommunikation und Jugendsozialisation als Thema einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu erheben die materielle, »anstößige« Welt nicht ausklammert, sondern explizit einbezieht. Das wiederum kann auf unterschiedliche Art und Weise geschehen. Denkbar wäre es – mit Blick auf die Bedingung der Möglichkeit der immateriellen Welt –, technische Daten zu rekapitulieren und auf dieser Basis von Hardware und entsprechender Übertragungskapazitäten die musikalischen Möglichkeiten zu reflektieren. Selbstredend ist mit Drucklegung das Technische längst überholt und Gesagtes beschreibt einen antiquarischen Wert. Eine andere Herangehensweise wäre es, eine Vielzahl von musikalischen Web-Sites vorzustellen, wissend, dass viele Darstellungsleistungen im Augenblick der Niederschrift sich beziehen auf längst Verflüchtigtes. Das Netz ist ein ausgesprochen flüchtiges Medium, innerhalb eines Jahres (von 1998–1999) sind so 44% der Web-Sites nicht mehr zu identifizieren gewesen (Hartmann 2000: 312). Dieter E. Zimmer beziffert die durchschnittliche Lebensdauer eines Dokuments im Web zwischen 44 und 70 Tagen. Jeder, der in Publikationen schon einmal auf Web-Adressen verwiesen hat und diese nach einer Weile wieder aufzusuchen gedenkt, weiß von der Flüchtigkeit des Mediums zu berichten. Das mag man einerseits als Ärgernis betrachten, andererseits allerdings zeigt sich darin schon eine spezifische Qualität des Netzes: Alles unterliegt einem permanenten Wandel. (Darüber wird im Folgenden vielfach zu berichten sein.) Aber auch, wo Gedrucktem entnommene Adressen, zu einem späteren Zeitpunkt in Webbrowser eingegeben, Web-Sites aufbauen, mögen diese und die dort vorgefundenen Informationen dem Beschriebenen nicht mehr entsprechen und längst aktualisiert sein.1

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Das relativiert dann auch die Nutzungsmöglichkeiten von Publikationen wie bspw. die von Tobias Orthler: »Internet für Musiker«. Nicht ohne Grund scheinen dann Publikationen wie diese gefüllt mit Allgemeinplätzen, wie man eine Verbindung zum Netz aufbaut, was man unter »freeware« und »shareware« versteht, wie und wo man chatten kann und manchem Lässlichem mehr, das mit dem eigentlichen Thema – der Musik im Internet – nur am Rande zu tun hat. Im Kapitel 4 unter dem Unterpunkt 8 findet man links zur Klassik und zwar insgesamt drei, davon sind zwei Verweise auf MIDI-links, und der dritte verweist auf die Seite des Deutschen Musikinformationszentrums. Mit anderen Worten wird im Grund genommen eine relevante Information überhaupt nicht geliefert. Sieben Verweise auf Newsgroups werden dann noch geliefert, davon einer zu »Schostakowitsch«. Als Leser fragt man sich, wieso gerade dieser Komponist Berücksichtigung gefunden hat und zahllose andere nicht. Der Wert von solchen Linksammlungen ist demnach sehr fragwürdig. Im weiteren Verlauf wird eine weiter ausdifferenzierte Linksammlung geliefert mit dann einer MIDI-Klassik Rubrik und 19 weiteren Einträgen. Eine schließlich alphabetisch sortierte, allgemeine Link-Sammlung ist gefüllt mit vielfältigen Links, von denen die große Summe nur ein sehr spezielles Publikum bedient. Ein Verweis zu einer Seite der Gruppe »Nazareth«, die in den 70er Jahren sicherlich ihre große Zeit hatte und heute kaum einer mehr kennt, findet sicherlich Adressaten, trotzdem dürfte dieser für die breite Allgemeinheit kaum interessant sein. Das macht auch die Problematik solcher Publikationen deutlich, von denen es massenhaft gibt (Internet für Anfänger, . . . Soziologen, . . . Philosophen . . . Die besten 1000 Internetadressen . . . etc.): Wer eine Link-Sammlung für »Musiker« angibt, bedient im Grunde genommen niemanden wirklich. Ein einziger Verweis auf eine Michael Jackson Seite z.B. macht das krasse Missverhältnis zwischen gegebener und potenziell möglicher Information deutlich. Der Leser fragt sich: wieso diese eine Seite ausgewählt wurde, wo zigtausend andere möglich gewesen wären.
Und sollten gegebenenfalls Inhalte doch

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