Sinne nur beruhigt, weil betäubt, dem gesellschaftlichen
Lebensgang aber kaum zuträglich ist. Dem Prinzip Notwendigkeit lag nur eine
Idee
zugrunde, aber keine für jeden Fall lebensgültige
Weltformel. Die Idee steht für
das Versprechen einer am Ende erst eingelösten Glückserfüllung. Für diesen
zweifelhaften Traum wird mancher unglücksselige Lebensgang ohne den Ausbruch im
Aufbruch zu versuchen geduldet und werden denkbare Weichenstellungen am
Wegesrand außer Acht gelassen. In einem Leben mit der Kontingenz bergen
Wegeänderungen Risiken, doch eine kalkuliert verfahrende Vorsicht lässt manchen
ausgetretenen, geradlinig verfahrenden Pfad trotzdem verlassen, wo die vermeintliche
Glückserfüllung am Ende den selbstverantworteten Rechenexempeln nicht mehr
standhält. Die Kontingenzaussicht sieht so die Qual der Wahl in vielen Lebenslagen
vor und ein insgesamt ungewisses Selbst, was in dem einen wie anderen Falle
vielleicht schwer auszuhalten, aber immerhin zu gestalten ist. Dieses Risiko ist
aufzunehmen, wo die Gesellschaft selbst so ungewiss geworden ist und nicht selten nicht
vorhersehbare Wendungen von heute auf morgen dem einzelnen abverlangt
sind.
Im Bewusstsein eines Notwendigen sind Wendungen kaum zu leisten; das
Bewusstsein der Kontingenz schließt Sackgassen nicht aus, doch ist ihnen leichter
auszuweichen.
- Angezeigt ist heute eher eine Wertegemeinschaft, die vorgezeichnete Wege wohl geht
und auch – das sei explizit betont – pflegt, dabei aber die Bereitschaft zum Wandel
in sich trägt.
- Angezeigt ist damit zugleich eine Wertegemeinschaft, die auch einen Gleichklang
uneinheitlicher Werte aushält und sich davon positiv affizieren lässt.
- Angezeigt ist damit des Weiteren eine Wertegemeinschaft, die nicht nivelliert und
nach dem an sich und dem Einen oder Echten fragt, sondern die differenziert und
immer auch nach dem noch anderen fragt, der oder das ansonsten bisweilen schnell
vergessen oder vernachlässigt wird, wo man das eine gefunden zu haben glaubt.
Kennen Sie [
]?, diese Frage ist den einleitenden Worten vorgestellt gewesen. Ich
unterstelle, dass sich Goethe für die neue Lesart seines Namens durch den Schüler
interessiert hätte und ausgelotet, wohin die Lesart gedankenreich hätte führen mögen,
wissend, dass Wissen immer nur ein fragwürdiges, aus einem komplexen Zusammenhang
isoliertes Stückwerk ist, das neu kombiniert werden kann. Goethe hätte wohl
produktiv Hand angelegt und weniger theoretisch lamentiert, um einmal gepflegte
Begründungsmuster weiterhin zu zementieren. Wie sagte so Goethe in ›Wilhelm
Meisters Wanderjahre‹: »Wer sich von nun an nicht auf eine Kunst oder Handwerk legt,
der wird übel dran sein. Das Wissen fördert nicht mehr, bei dem schnellen Umtriebe der
Welt; bis man von allem Notiz genommen hat, verliert man sich selbst« (Goethe 1998a,
Bd. 8: 483).