- 18 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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Sinne nur beruhigt, weil betäubt, dem gesellschaftlichen Lebensgang aber kaum zuträglich ist. Dem Prinzip Notwendigkeit lag nur eine Idee zugrunde, aber keine für jeden Fall lebensgültige Weltformel. Die Idee steht für das Versprechen einer am Ende erst eingelösten Glückserfüllung. Für diesen zweifelhaften Traum wird mancher unglücksselige Lebensgang ohne den Ausbruch im Aufbruch zu versuchen geduldet und werden denkbare Weichenstellungen am Wegesrand außer Acht gelassen. In einem Leben mit der Kontingenz bergen Wegeänderungen Risiken, doch eine kalkuliert verfahrende Vorsicht lässt manchen ausgetretenen, geradlinig verfahrenden Pfad trotzdem verlassen, wo die vermeintliche Glückserfüllung am Ende den selbstverantworteten Rechenexempeln nicht mehr standhält. Die Kontingenzaussicht sieht so die Qual der Wahl in vielen Lebenslagen vor und ein insgesamt ungewisses Selbst, was in dem einen wie anderen Falle vielleicht schwer auszuhalten, aber immerhin zu gestalten ist. Dieses Risiko ist aufzunehmen, wo die Gesellschaft selbst so ungewiss geworden ist und nicht selten nicht vorhersehbare Wendungen von heute auf morgen dem einzelnen abverlangt sind.

Im Bewusstsein eines Notwendigen sind Wendungen kaum zu leisten; das Bewusstsein der Kontingenz schließt Sackgassen nicht aus, doch ist ihnen leichter auszuweichen.

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Kennen Sie [g@oe:de]?, diese Frage ist den einleitenden Worten vorgestellt gewesen. Ich unterstelle, dass sich Goethe für die neue Lesart seines Namens durch den Schüler interessiert hätte und ausgelotet, wohin die Lesart gedankenreich hätte führen mögen, wissend, dass Wissen immer nur ein fragwürdiges, aus einem komplexen Zusammenhang isoliertes Stückwerk ist, das neu kombiniert werden kann. Goethe hätte wohl produktiv Hand angelegt und weniger theoretisch lamentiert, um einmal gepflegte Begründungsmuster weiterhin zu zementieren. Wie sagte so Goethe in ›Wilhelm Meisters Wanderjahre‹: »Wer sich von nun an nicht auf eine Kunst oder Handwerk legt, der wird übel dran sein. Das Wissen fördert nicht mehr, bei dem schnellen Umtriebe der Welt; bis man von allem Notiz genommen hat, verliert man sich selbst« (Goethe 1998a, Bd. 8: 483).

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