- 14 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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schaften offeriert und würde allein ein quantitatives, fraglos ausgewogeneres Mehr an Information dargeboten. Das Problem bei solchen »Bildungsbüchern« ist – sofern sie auch als solche autoritativ auftreten – folgendes: Wissen erhält hier eher Denkmalscharakter, und nicht der Interessezeigende steht im Zentrum, sondern die Denkmalspflege großer Geister. Das wiederum ist es, was dem Bildungsgedanken widerspricht. Als gebildet gilt bei Schwanitz, wer reproduzieren, Wissen abrufen kann. Der Zweck ist nicht nachgefragt. Doch Bildung beginnt erst dort sich zu zeigen, wo Denkmäler wanken, indem sie auf die Gegenwart bezogen gebraucht, ggf. auch verbraucht werden. Bei einem Bildungsbuch, wie dem von Schwanitz, lugt der – so scheint es mir – unantastbare Geniekult und verehrungswürdige Olymp des Wissens aus jeder Zeile hervor. So werden Normen der Vergangenheit geboten, ohne dass auf deren temporär bedingte Verknüpfungsrelevanz hingewiesen wird. Mit einer solchen Haltung wird Bildung eher verhindert, denn gefördert. Bildung stellt sich erst da ein, wo die Kombination aus gewusster Information zur Konstruktion unbekannter verführt und befähigt, sodass das genormte Stückgut aus der Vergangenheit ein gut Stück verbogen und selektiv an die Gegenwart angepasst wird. Der Olymp erhält wieder Bodenhaftung, das Genie menschliche Züge, wo Wissenspartikel im Gebrauch lebendig gehalten werden und nicht nur die rituelle Deklamation des einmal zur Norm Erhobenen im Zentrum steht. Ohne die Berücksichtigung der Konstruktion bleiben Informationen isoliert und bieten totes Wissen, erst mit ihrer Berücksichtigung stellt sich ein Mehrwert ein: Bildung und neues Wissen. Bildung so verstanden stellt ins Zentrum das »Kombiniere« und damit die Reflexion, ein verorteter Bildungskanon verhindert dieselbe eher, weil andere offensichtlich schon zureichend nachgedacht haben und der eigene Gedanke nicht mehr notwendig scheint. »Normen nobilitieren Lernunwilligkeit. Sie befreien das selektive Verhalten vom Zwang zur Anpassung – man muß nicht lernen! Werte sind so beliebt, weil sie das Begründungsunbedürftige sind. Werte sind inviolate levels und damit Stoppregeln der Reflexion« (Bolz 2001: 139).

Das Buch »Bildung« ist deshalb beispielhaft angeführt worden, nicht weil es wirklich schlecht wäre, nicht informativ oder nicht lesenswert, der Autor dieser Zeilen fühlte sich gut unterhalten, sondern weil es so prägnant die Unzulänglichkeit verdeutlicht, »Bildung« auf feste Größen reduzieren zu wollen. Bildung ist mehr ein fließender Zusammenstand und kein Kanon oder ein statisches Etwas, das in ein Buch gefasst oder »gegossen« werden könnte, wie dies suggeriert wird. »Das Modell Schwanitz sah Bildung als eine verbindliche Sozialkompetenz vor in Gestalt eines gemeinsamen Wissenskanons, den alle teilen müssen, die sich erfolgreich in der Gesellschaft bewegen wollen. Für dieses höfisch-höfliche Modell von Bildung als Allgemeinbildung scheint gegenwärtig wenig zu sprechen, denn es setzt eine in der Gesellschaft verankerte einheitliche Konversationskultur voraus, für die es im Zuge einer immer stärkeren Ausdifferenzierung der künstlerischen, historischen und technisch-naturwissenschaftlichen Wissenskulturen wenig Anzeichen gibt« (Assmann 2001: 57). Der Kanon, den man einst zu haben glaubte, machte nach Assmann, ausgehend von dem Bildungsbegriff der höfischen Konversationskultur des 16. bis 18. Jahrhunderts, bis ins 20. Jahrhundert hinein bzw. in der hier beispielhaft diskutierten Dorfgemeinschaft traditioneller Provenienz noch seinen guten Sinn. Die Verinnerlichung desselben in der globalen Gemeinschaft trägt


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