- 13 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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Spezialist für die eine Sache interessierter Dilettant in der anderen bzw. in fast allen anderen. Also sind Wissenslücken nicht nur verzeihlich, sondern oft genug sogar notwendig, will man in einem bestimmten Bereich hinreichende Kompetenz aufbauen. Ein Bildungsbegriff, der nach dem Gießkannenprinzip arbeitet, führt in Konsequenz zu einem toten Ballastwissen, das – wenn man Glück hat – in Ausnahmefällen man auch mal benötigen und einbringen kann (bei Günter Jauch oder irgendeiner anderen Quizshow, auf Smalltalk Partys und in anderen ähnlich relevanten Lebensfeldern). Damit wird keinem für die Vielfalt von Wissenswelten nur Ignoranz zeigendes Spezialistentum das Wort geredet, sondern dem Kontextwissen, das von Fall zu Fall ausgebildet wird. Das ändert sich von Fall zu Fall und ist in singulären Büchern im Sinne eines für alle Fälle geltenden Bildungsgutes nicht aufzuheben.

»Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß«; schrieb einst Georg Simmel, und es darf – ohne große Spekulation – angenommen werden, dass Bildungsbücher, die präsentieren, was man alles wissen muss, das Ergebnis der Synthese der Lektüre mannigfaltiger Literatur ist, die für wesentlich erachtet wird, aber nicht die Niederschrift dessen sind, was man eigentlich wissend ständig im Kopf angeblich mit sich tragen »muss«, wie der Titel jenes Buches es suggeriert. Der Bildungsbegriff von Georg Simmel führt weiter, weil er nicht nur der Praxis näher, sondern auch Fortbildungen gegenüber offen steht. Und das ist wesentlich!

Das Buch »Bildung« handelt, wie schon angedeutet, also auch die Musik – also das, was man von ihr wissen muss – im Vergleich zu den Naturwissenschaften auf immerhin 22 Seiten ab. Die im Buch genannten Hörbeispiele sind auch auf einer Begleit-CD zu erwerben, die der Eichborn-Verlag auf der hauseigenen Web-Seite mit den Worten offeriert: »Wer die maßgeblichen Werke der klassischen Musik hören will, die Dietrich Schwanitz in seinem Bestseller vorstellt, muß jetzt nicht mehr unzählige CDs kaufen: denn passend zu Bildung. Alles was man wissen muß gibt’s jetzt eine CD, die die wichtigsten Werke und Komponisten der europäischen Klassik in Auszügen vorstellt. Dabei sind es nicht nur die Hausmarken Mozart, Bach, Verdi oder Wagner, sondern auch unbekanntere Werke aus Barock, Klassik, Romantik und Moderne, die es zu entdecken gilt. Eine streitbare Auswahl, aber eine, die man hören muß.« Und das alles auf einer CD! Debussy und Satie (immerhin!) stehen für die Moderne, natürlich Haydn, Mozart, Beethoven für die Klassik. Das Mittelalter ist mit drei Titeln reicher vertreten als die Moderne. Den größten Raum nimmt die Romantik mit acht Musiktiteln ein. Jeder musikalisch Interessierte möchte mit dem Kopf schütteln, aber bestimmt nicht darüber streiten bei dieser 80 Minuten Musik präsentierenden, praktisch willkürlichen Auswahl, die das musikalische Bildungsgut darstellen soll. Ob man über eine solche magere Musikauswahl noch streiten mag, fragt sich. Gerade diese CD veranschaulicht, dass die Sehnsucht nach dem kanonischen Wissen eine verständliche, gleichwohl sehr zweifelhafte, dubiose ist.4

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Mittlerweile ist es eine CD-Box von 10 CDs, die Gebildete kennen sollten, um als gebildet im Bereich der Musik gelten zu dürfen.

Auch ein Mehr an Musikinformation und ein gemeinsames Kompendium von Schwanitz & Fischer stellen für sich genommen nicht schon Bildung dar, sondern in einer solchen Kombination von Geisteswissen und Naturwissen würden mal mehr mal weniger gut aufbereitete Informationen aus den jeweiligen Fachwissen-


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