- 11 -Schläbitz, Norbert: Mit System ins Durcheinander  
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heute Bücher, die die Problematik des Durcheinanders und auch reelle Sorgen zu erfassen suchen, der »Abschied vom Nationalstaat« (Albrow 1998) andere. Dem Durcheinander zu entgehen wiederum wird zuweilen der Schulterschluss im Nationalstaat durch Ausgrenzung Dritter gesucht. Dass eine solche Strategie von Erfolg gekrönt sein könnte, darf bezweifelt werden. Systemische Ordnungen regeln sich von selbst und erscheinen aus der Außenperspektive oft genug als Durcheinander.

Das globale Dorf umfasst systemdifferenzierend die ganze Welt, und auch wer sich allein der lokalen Dorfgemeinschaft verbunden fühlt, wird ungefragt eingemeindet und doch manchmal implizit oder explizit ausgeschlossen, da Rücksichten – das ist die Folge von Globalität – nicht zu nehmen sind. Das komplexe System bezieht implizit trotz mancher Ausschlussverfahren ein. Die Folgen sind gemeinsam zu tragen. Und Polykontextualität erscheint beängstigend, weil keine klare Linie mehr erkennbar ist. Das Buch »Mit System ins Durcheinander« sucht aus der Perspektive der Musik die Beschreibung einer komplexen, sich selbst sortierenden Ordnung, die einer außengelenkten ordnenden Hand nicht mehr gehorcht. Die Welt der Musik ist aus den Fugen geraten. Umso wesentlicher ist die Beobachtung ihres Werdeganges. Umso wesentlicher ist die kritische Beleuchtung überkommener musikalischer Ordnungsmuster, inwiefern sie noch tragen oder inwiefern sie auf die neuen unübersichtlichen Verhältnisse neu zugeschnitten werden müssen. Und umso wesentlicher ist die Befragung nach möglichen musikpädagogischen Konsequenzen, damit im systemisch-komplexen Durcheinander noch Orientierung denkbar ist.

1.2.  »Bildung – alles was man wissen muss« – Ist das wirklich schon alles?

»Die Erziehung möchte weitergeben, woran man sich halten kann.
Die Forschung setzt auf eine offene, gestaltungsfähige Zukunft mit mehr Problemen als
Problemlösungen und mit einer überproportionalen Produktion von Nichtwissen. [...] Man lernt, um
wieder verlernen zu müssen, wenn es auf Genauigkeit oder Aktualität ankommt, und behält im
übrigen ›Bildung‹ als Kondensat zurück. Hier zeigt sich auch der Vorteil des heute kaum
noch angebotenen altsprachlichen Unterrichts. Bei Griechisch und Latein gibt es nichts zu
verlernen; es genügt, es zu vergessen«

(Niklas Luhmann 2002: 133f.).

Das vorab charakterisierte Dorf, das dem globalen noch fern stand, stand oder steht bisweilen noch für feste Orientierungsmuster. Diese sind in der globalen Gemeinschaft rar geworden. Die Sehnsucht nach einer dörflichen Gemeinschaft mit festen Strukturen und festen Werten ist so nicht nur am anderen Ende der Welt zu verorten, sondern sie durchzieht auch die westlichen Kulturen. Wenn das Dorf alter Provenienz schon nicht mehr zu haben ist, so mag wenigstens noch die fest umrissene Wertegemeinschaft verbleiben. Man kann dies festmachen in der Suche nach und Restituierung von Werten oder Bildungsidealen. So können dann auch Bücher mit großen Absätzen rechnen, die einen Kanon von festen Werten anbieten, wie bspw. das Lesebuch »Bildung« von Dieter Schwanitz. Da wird dann gelehrt, »was man alles wissen muss«. Beruhigt lehnt sich der Leser mit den gewonnenen


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