heute
Bücher, die die Problematik des Durcheinanders und auch reelle Sorgen zu
erfassen suchen, der »Abschied vom Nationalstaat« (Albrow
1998) andere. Dem
Durcheinander zu entgehen wiederum wird zuweilen der Schulterschluss im
Nationalstaat durch Ausgrenzung Dritter gesucht. Dass eine solche Strategie von
Erfolg gekrönt sein könnte, darf bezweifelt werden. Systemische Ordnungen
regeln sich von selbst und erscheinen aus der Außenperspektive oft genug als
Durcheinander.
Das globale Dorf umfasst systemdifferenzierend die ganze Welt, und auch wer sich
allein der lokalen Dorfgemeinschaft verbunden fühlt, wird ungefragt eingemeindet und
doch manchmal implizit oder explizit ausgeschlossen, da Rücksichten – das ist die Folge
von Globalität – nicht zu nehmen sind. Das komplexe System bezieht implizit trotz
mancher Ausschlussverfahren ein. Die Folgen sind gemeinsam zu tragen. Und
Polykontextualität erscheint beängstigend, weil keine klare Linie mehr erkennbar ist. Das
Buch »Mit System ins Durcheinander« sucht aus der Perspektive der Musik
die Beschreibung einer komplexen, sich selbst sortierenden Ordnung, die einer
außengelenkten ordnenden Hand nicht mehr gehorcht. Die Welt der Musik ist aus
den Fugen geraten. Umso wesentlicher ist die Beobachtung ihres Werdeganges.
Umso wesentlicher ist die kritische Beleuchtung überkommener musikalischer
Ordnungsmuster, inwiefern sie noch tragen oder inwiefern sie auf die neuen
unübersichtlichen Verhältnisse neu zugeschnitten werden müssen. Und umso
wesentlicher ist die Befragung nach möglichen musikpädagogischen Konsequenzen,
damit im systemisch-komplexen Durcheinander noch Orientierung denkbar
ist.
1.2. »Bildung – alles was man wissen muss« – Ist das wirklich schon alles?
»Die Erziehung möchte weitergeben, woran man sich halten kann.
Die Forschung setzt auf eine offene, gestaltungsfähige Zukunft mit mehr Problemen als
Problemlösungen und mit einer überproportionalen Produktion von Nichtwissen. [...] Man lernt, um
wieder verlernen zu müssen, wenn es auf Genauigkeit oder Aktualität ankommt, und behält im
übrigen ›Bildung‹ als Kondensat zurück. Hier zeigt sich auch der Vorteil des heute kaum
noch angebotenen altsprachlichen Unterrichts. Bei Griechisch und Latein gibt es nichts zu
verlernen; es genügt, es zu vergessen«
(Niklas Luhmann 2002: 133f.).
Das vorab charakterisierte Dorf, das dem globalen noch fern stand, stand oder steht
bisweilen noch für feste Orientierungsmuster. Diese sind in der globalen Gemeinschaft
rar geworden. Die Sehnsucht nach einer dörflichen Gemeinschaft mit festen Strukturen
und festen Werten ist so nicht nur am anderen Ende der Welt zu verorten, sondern sie
durchzieht auch die westlichen Kulturen. Wenn das Dorf alter Provenienz schon nicht
mehr zu haben ist, so mag wenigstens noch die fest umrissene Wertegemeinschaft
verbleiben. Man kann dies festmachen in der Suche nach und Restituierung von Werten
oder Bildungsidealen. So können dann auch Bücher mit großen Absätzen rechnen, die
einen Kanon von festen Werten anbieten, wie bspw. das Lesebuch »Bildung«
von Dieter Schwanitz. Da wird dann gelehrt, »was man alles wissen muss«.
Beruhigt lehnt sich der Leser mit den gewonnenen