systemspezifisch Welt erfasst und
verhandelt werden. Das Kunstsystem kommuniziert oft genug ungefragt so bspw. auch
die entlegenste Kunst (
»Kunst/Nicht-Kunst«) von Naturvölkern, das Wirtschaftssystem
kalkuliert deren Wert (
»Zahlen/Nicht-Zahlen«), das Rechtssystem überlegt, ob mit
dieser Kunst gehandelt werden darf (
»Recht/Unrecht«) usf. Eine jede Musik- und andere
Kunst aus entfernten Kulturen kann so zur globalen Marke werden, ob diese nun die
eigenen kulturellen Güter einbezogen sehen möchten oder auch nicht. Das schafft
mitunter Unzufriedenheiten in lokalen (noch dörflich sortierten) und doch global
durchdrungenen Gemeinschaften, wo das eigene Selbstverständnis ungefragt global
kommuniziert wird.
Und die einzelnen sozialen Systeme – von der Religion bis zur Wissenschaft – sind in
vielen Fällen auch nicht mehr lokal oder national mit fixen territorialen Grenzen
bestimmt. Mit dem »Ausstieg aus der Industriegesellschaft beginnt sich diese
räumliche Zuordnung [von vereinheitlicher Kultur und Sprache, Durchsetzung
staatlich-administrativer Zuständigkeit und Herausbildung von Gewaltmonopolen, Anm.
N.S.], ein wesentliches Attribut der Moderne, aufzulösen« (Menzel 1998: 57). Ein jedes
System operiert autonom, kommuniziert das Weltdorf auf seine eigene, ihm ganz
spezifische und totalisierende Weise. Die Folge ist ein ganzes Bündel divergierender
Komplettbeschreibungen. »Die Welt selbst ist nur der Gesamthorizont alles
sinnhaften Erlebens, [. . . ]. Sie ist nicht durch Grenzen geschlossen, sondern durch
den in ihr aktivierbaren Sinn. Die Welt will nicht als Aggregat, sondern als
Korrelat der in ihr stattfindenden Operationen verstanden sein. [. . . ] Und für einen
systemtheoretischen Weltbegriff heißt dies, daß die Welt die Gesamtheit dessen ist, was
für ein jedes System System-und-Umwelt ist« (Luhmann 1997: 153f.). Eine leitende
Führungselite, die den Überblick oder den Blick aufs Ganze hat, ist – wo jedes
Funktionssystem aus seiner Sicht ein Total beschreibt und von Fremdreferenz (bspw.
eine göttliche Ordnung, die ausstrahlt auf alle anderen Funktionssysteme) auf
Selbstreferenz umgestellt hat – nicht denkbar. Das globale Dorf bietet eine
systemische Einheit der Vielheit, die mit vielen Sprachen durcheinander spricht.
Teilsysteme enden nicht an Territorialgrenzen, sondern Grenzen sind gesellschaftlich
funktional bestimmt. Das globale Dorf nimmt Gestalt an vor dem Hintergrund einer
Umwelt, die als nicht unerheblicher Rest der Welt ungestalt erscheint. Über
binäre Codierungen werden bezeichnende Unterscheidungen getroffen und unter
dieser Perspektive wird beobachtet. Alles andere liegt jenseits dieser Grenze.
Das Globale ist also nicht die Welt an sich, sondern ein Konstrukt, und auch
das Lokale ist eine gestaltete Welt für sich, Konstrukt, nie an sich, hat keine
territorialen oder andere Grenzen. Und wenn denn Grenzen kommunikativer
Art gezogen sind oder von anderer Seite werden, ist zu fragen, unter welcher
Perspektive.
Das globale Dorf erweist sich funktional ausdifferenziert, wobei anregende oder
irritierende Störungen von allen Seiten kommen mögen, auch vom entlegensten
Ort. Einen Überblick durch eine Verantwortung tragende und lenkende Elite
gibt es dabei nicht mehr. Ein ziemliches Durcheinander das Ganze, wo keine
verbindlichen Aussagen zum Ganzen mehr gemacht werden (können), sondern
Gesagtes einander durchkreuzt, sich widerspricht, sich Missverstehen bezeugt
u.a.m.
Keinerlei Ähnlichkeit mit dem Dorf, wie ehedem gekannt, ist gegeben, wo es immerhin
noch eine vorstehende Autorität gab, deren Sprache die anderer als Fremdreferenz
bereicherte. »Die Globalisierungsfalle« (Martin/Schumann 1998) heißen