5.
Weiterführende Diskussion
Wie in den meisten wissenschaftlichen Arbeiten, so tauchten auch im Verlauf dieser
Untersuchung zahlreiche Fragen auf, die nicht weiter verfolgt werden konnten.
Da ihre Nichtbeantwortung sich aber möglicherweise auf Folgeuntersuchungen
auswirken könnte, soll nicht versäumt werden, sie an dieser Stelle wenigstens zu
erwähnen.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass ein Versuch wie der vorliegende immer eine
besondere Situation darstellt, die im musikalischen Alltagsleben in dieser Form nicht
existiert. Inwieweit sich dieser Ausnahmezustand auf die Bewertung von Musik
auswirkt kann nicht beurteilt werden. Zwar konnte gezeigt werden, dass die
ästhetischen Urteile der (vier!) Probanden des Wiederholungsversuchs über
einen Zeitraum von drei Monaten relativ stabil blieben, dennoch darf nicht
vergessen werden, dass hier zwei Ausnahmesituationen miteinander verglichen
wurden.
Abgesehen von der Nichtinterpretierbarkeit der speziellen Ergebnisse dieser Studie
stellen sich einige darüber hinausgehende Fragen allgemeiner Natur hinsichtlich der in
den Referenzstudien verwendeten und vom Verfasser übernommenen Methodik. Es
wurde darauf hingewiesen, dass das semantische Differential aus der Psycholinguistik
stammt und entwickelt wurde, um die affektive Bedeutung sprachlicher Konzepte zu
testen. Die Idee, diese Methode auf musikalische Stimuli anzuwenden, erscheint zunächst
einleuchtend, wenn man wie Keil/Keil und Deva/Virmani musikalische Stimuli als
Konzepte betrachtet. Von Deva wird dies durch die Parallelität von Musik und Sprache
begründet.
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Zwei entscheidende Punkte werden dabei jedoch vernachlässigt:
- Die Parallelität von Sprache und Musik kann aus Sicht heutiger Musikpsychologen
höchstens in einem metaphorischen Sinn verstanden
werden.
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- Ein sprachliches Konzept ist nach Osgoods Definition ein Substantiv, dass durch
Adjektive qualifiziert wird. Das Verhältnis von Adjektiv und Substantiv wird
wiederum durch Adverbien quantifiziert, z. B. (ein) sehr großes Haus. Diese
Dreierbeziehung von Substantiven, Adjektiven und Adverbien stellt Osgood zufolge
ein
sprachliches Universal dar und bildet die theoretische Grundlage des semantischen
Differentials.
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Durch die Übertragung des für diesen Zweck klar definierten Begriffs »Konzept«
auf Musik wird dieses Beziehungsgeflecht aufgehoben. Somit ist die Technik ihrer
theoretischen Grundlage beraubt.
Der Umkehrschluss, dass nämlich diese Technik zur Evaluation der musikalischen
Bedeutung nicht anzuwenden sei, kann aus Gründen der Logik dennoch nicht gezogen
werden. Um damit dennoch zu einigermaßen gesicherten Ergebnissen zu kommen, ist
noch ein großes Maß an Grundlagenforschung zu betreiben, zumal das musikalische bzw.
emotionale Erleben und dessen Versprachlichung zwei voneinander unabhängige
Fähigkeiten darstellen.