- 74 -Schmidt, Markus: Ästhetik und Emotion in der nordindischen Kunstmusik 
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In keiner der beiden Referenzstudien wird zwischen tatsächlich ausgelösten und potenziellen Gefühlen differenziert. Beide Forschergruppen intendieren, die tatsächlich ausgelösten Emotionen mit der vorhergesagten Wirkung zu vergleichen. Gleichzeitig bitten sie ihre Teilnehmer jedoch, die Stimmung der Musik zu beschreiben. 165
165   Vgl. Keil, Charles und Angeliki, 1966, S. 154 und Deva und Virmani, 1968, S. 59.

Zur alltäglichen Erfahrung mit Musik gehört es ja gerade, dass man beispielsweise ein Musikstück als traurig empfindet, ohne dabei aber selbst traurig zu werden. Die vorliegende Arbeit verzichtet in Analogie zu den Referenzstudien ebenfalls darauf, dieses Problem zu lösen.

Die Auswahl passender und aussagekräftiger Adjektive stellt, wie gezeigt werden konnte, eine der schwierigsten Aufgaben bei der Arbeit mit dem semantischen Differential dar. 166

166   Vgl. Keil, Charles und Angeliki, 1966, S. 154 f.

Die auf Charles und Angeliki Keil zurückzuführenden Begriffe wurde von vielen Testteilnehmern kritisiert, da sie einige Begriffe in nicht in Beziehung zur Musik setzen konnten. Für seine Folgeuntersuchungen wurde die Adjektivliste von Deva mehrmals und mit wechselndem Erfolg modifiziert. 167
167   Vgl. Deva, 1981, S. 141 ff.

Seinen Überlegungen dazu sei hinzugefügt, dass man seit 1975 über eine hinreichend gestestete pankulturelle Adjektivskala verfügt, die mit Erfolg in 30 Ländern angewandt wurde. 168
168   Vgl. Osgood, 1977, S. 204 ff.

Durch ihre Verwendung wäre auch das nicht als gering zu achtende Problem der Übersetzung bzw. des Testens in Fremdsprachen gelöst.

Von ähnlicher Bedeutung zeigt sich auch die Auswahl der musikalischen Stimuli, die im vorliegenden Fall als nicht gerade glücklich bezeichnet werden kann, da sich beispielsweise fi-Holi und Mishra-Mānd den Beschreibungen nach in ihrem emotionalen Gehalt stark ähneln. Zukünftige Untersuchungen sollten in dieser Hinsicht größere Sorgfalt walten lassen.

Weitere Einschränkungen der Methode wurden bereits von Deva thematisiert, beispielsweise die nicht repräsentative Auswahl der Probanden (Studenten), die Nichtberücksichtigung der Tages- bzw. Jahreszeit, in der die ga-s dargeboten werden sollten, sowie die Auswirkungen bestimmter musikalischer Parameter wie Tempo, bevorzugter Tetrachord etc. auf das ästhetische Erleben. 169

169   Vgl. Deva, 1981, S. 138 ff.

Die vielen Kritikpunkte und offenen Fragen sollen jedoch keineswegs dazu ermuntern, die gesamte Thematik auf sich beruhen zu lassen. Die interkulturelle Musikpsychologie steckt noch in den Kinderschuhen und stellt ein ebenso weites wie interessantes Feld mit vielen Möglichkeiten dar. Wenigstens zwei Beispiele seien dazu angeführt:

Dass der interkulturellen Pädagogik in der multikulturellen Gesellschaft eine wichtige Rolle zukommt, wird heute von kaum jemandem bezweifelt. Die Musikpsychologie kann zum Verständnis anderer Kulturen beitragen, indem sie erforscht, welche Differenzen und Gemeinsamkeiten in der Musikwahrnehmung existieren. Gegenseitiges Verständnis und Respekt könnten sich durch die Kenntnis kultureller Unterschiede gezielt verbessern lassen.

Die Musiktherapie basiert nach wie vor größtenteils auf Vermutungen und persönlichen Erfahrungen, die jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehren. 170

170   Vgl. Spitzer, 2002, S. 426 ff.


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