- 7 -Schmidt, Markus: Ästhetik und Emotion in der nordindischen Kunstmusik 
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Wahrscheinlichkeit, dass sie sich von der heutigen Kunstmusik stark unterscheidet, ist hingegen ziemlich hoch, da die damals gespielten Bogenharfen das heute übliche singletonic Verfahren nicht zulassen. Der gleich bleibende Grundton stellt seit mehreren Jahrhunderten einen Grundpfeiler der indischen Kunstmusik dar, weswegen die meisten Lauteninstrumente verschiebbare Bünde besitzen, um verschiedene Skalen darauf realisieren zu können. Das modalshift Verfahren, also das Verschieben der gesamten Skala bei gleich bleibenden Intervallverhältnissen und sich änderndem Grundton, stellt die einzige Möglichkeit dar, auf einer Bogenharfe unterschiedliche Tonleitern zu spielen. 19
19   Vgl. Miner, 1997, S. 26 ff.

Trotz der vielen offenen Fragen lässt sich festhalten, dass das ästhetische Konzept, im Sinne einer gezielten emotionalen Beeinflussung durch die Darstellung bestimmter seelischer Zustände, seinen ersten schriftlichen Niederschlag im Nāṭyastra fand und immense Auswirkungen auf den Fortgang der indischen Ästhetik zeitigte. »Recognising rasa as the goal of all artistic activities, he (Bharata, Anmerk. des Verf.) stated that the major function of different art-forms is only to evoke rasa in a percipient. Further he elaborates that in a literary work or play there should be no place for wasteful words, sentences or emotions which do not contribute to the creation of rasa 20

20   Rao, 2000, S. 3.

2.2.  Die Bṛhad-desi des Mataṇga

Dieser zwischen 500 und 800 n. Chr. entstandene Text stellt im Hinblick auf die zeitgenössische ästhetische Konzeption insofern einen Meilenstein dar, als er erstmals den zentralen Begriff rāga in seiner heutigen Bedeutung verwendet. Nebenbei bemerkt zeichnet unter anderem der häufige Bedeutungswandel wichtiger musiktheoretischer Termini im Laufe der Geschichte verantwortlich für die große Schwierigkeit im Verständnis altindischer Musikkonzepte, wofür der Begriff rāga als ein, nicht aber als einziges Beispiel gelten kann.

Schon im Nāṭyaśāstra findet er Verwendung, dort allerdings im Sinne von »Farbe« oder »Reiz«. 21

21   Vgl. Rao, 2000, S. 5 f und Koch, 1995, S. 30.

Mataṇga führt den Begriff als musikalisches Konzept ein, das große Ähnlichkeit mit dem von Bharata verwendeten Terminus jāti aufweist. »Although Bharata does not use the expression rāga as defined by Matanga and his followers, Bharata’s jatis (and jati-lakshanas) provide the genus out of which ragas have evolved.« 22
22   Rao, 2000, S. 7.

Definiert wird der Begriff folgendermaßen: »That which colours the mind of the good through a specific svara (interval) and varna (melodic movement) or through a type of dhvani (sound) is known by the wise as raga 23
23   Rao, 2000, S. 7, Die Übersetzung stammt aus der von Prem-Lata Sharma herausgegebenen Übersetzung: Matanga: Brihaddeshi. Trivandrum Sanskrit Series, Vol. XCIV. Trivandrum. 1928. Ed: Prem-Lata Sharma. 2 Vols. Indira Ghandi National Centre for the Arts. New Delhi. 1994.

Ein Großteil sowohl der ästhetischen (»that which colours the mind«) als auch der musikalischen (»interval«, »melodic movement«, und »sound«) Implikationen des zeitgenössischen Konzepts »rāga « wird hier bereits vorweggenommen.


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