- 33 -Schabbing, Bernd: Musik- und Audiotechnologien zwischen Technik, Marketing und Kundenwunsch 
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2.3.1.1 »Härte« und »Kälte« des Klangs

Generell ist die größere Klarheit und Transparenz der digitalen Aufnahme zunächst gewöhnungsbedürftig, vor allem bei den Mittellagen. Auch sind die Farben der Instrumente genauer gegeneinander abgesetzt und erscheinen unverbundener. Bei einigen Aufnahmen ist bei hohen Tönen ein »auffällig harter, ›stählerner‹ Klang« festzustellen. Bei diesen Aufnahmen scheint »die ›Abstimmung‹ des Klangbildes auf die Möglichkeiten des Speichers noch nicht perfekt«. Bei der Digitalaufnahme muss aber auch mit den Mikrofonen anders umgegangen werden (s. u.), um »etwa bei hohen Streicherklängen Brillanz ohne Schärfe zu bekommen«.62

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Zitiert nach Harden 1983.

Die überpräsenten, überharten Klangbilder entstanden so gerade aufgrund des »drastisch erweiterten Dynamik-Spielraums« und der »völlig unverschliffenen Reproduktion auch härtester Impulse«. Sie klingen ohne die gewohnte analoge »Grundierung« gleichsam nackt. Die Aufnahmen wirken nun auch übertrieben oder steril, weil die aufnahmetechnisch einkalkulierte oder unbewusst vorausgesetzte »Verschleierung des Klanges, ihre Binde- und Weichmacherwirkung« wegfiel. Ein völlig klares Klangbild war bei der Analogplatte wegen des »technisch bedingten ›Bindemittels‹ eines (leichten) Grundrauschens« nicht vollkommen reproduzierbar.63

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Alles zitiert nach Harden 1985, S. 73.
Auch Jecklin bestätigt, dass die Analogtechnik vor allem durch Unzulänglichkeiten wie »Gleichlaufschwankungen (Flutter), dem Grund- und Modulationsrauschen, der schlechten Aussteuerbarkeit im hohen Frequenzbereich etc«. gehörsmäßig eine »Verschleierung des Klangbildes und als Impulsverflachung« mit sich bringen.64
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Zitiert nach Jecklin 1983.
Das sind also vor allem die Eigenschaften, die dann durch ihr Fehlen die »Härte« der CD ausmachen. Die Compact Disc erfordert daher ein aufnahmetechnisches Umdenken, eine Anpassung an die neuen klanglichen Verhältnisse ohne weitere Rücksichtnahme auf das »Übertönenmüssen von Störgeräuschen und Beschränktheiten des Tonträgers«.65
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Zitiert nach Harden 1985, S. 73f.

Diese neue Klangwirkung beschreibt Wolff:66

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Zitiert nach Wolff 1983a, S. 2.

Tatsächlich tritt kein Nebengeräusch mehr auf, so dass ein sehr direkter, präsenter Klang entsteht, der allerdings – wenn er aufnahmetechnisch, wenn er in der dynamischen Ausnutzung nur im geringsten überzogen wird – schnell unnatürlich, sogar akustisch strapaziös wirken kann.




Eigenschaften der Analog-Technik

Eigenschaften der PCM-Technik



Aufnahmen sind leicht verschleiert und weichgezeichnet

Die Aufnahmen sind klar, neutral und eher kalt



Impulse werden entschärft und verflacht

Impulse werden unverfälscht festgehalten



Die nutzbare Dynamik ist nicht ausreichend

Aufnahmen ohne Dynamikeinengung möglich




Tabelle 2.5: Aufstellung der technischen Unterschiede Analog – Digital (nach Jecklin 1983)

Elste weist in diesem Zusammenhang auf eine weitere mögliche Ursache für die Bewertung, die Compact Disc klinge kalt oder hart hin: »Völlige Stille kann sogar einen ästhetischen Bruch erzeugen«.67

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Elste 1983.
Er weist auch auf eine Gewohnheits-Komponente hin, da viele Hörer schon an das Bandrauschen gewöhnt seien und durch sein Fehlen irritiert würden. So ist auf der CD wohl eine »Kälte des Klanges« festzustellen, vor allem in mittleren und hohen Streicherlagen, aber diese sei kein Problem der Technik oder der Ästhetik, sondern eine Frage der Gewohnheit:68
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Zitiert nach Schreiber 1985, S. 80.

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