- 19 -Schabbing, Bernd: Musik- und Audiotechnologien zwischen Technik, Marketing und Kundenwunsch 
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Corbusier (Aufführung der Poème électronique). Heute stellen vor allem in der elektronischen Musik mehrkanalige Raumklangkompositionen eher die Regel als die Ausnahme dar. Dennoch hatte man bei der Neueinführung nicht auf neue Musik und entsprechende Zielgruppen gesetzt, sondern nur den bekannten Massenmarkt mit den altbekannten Werken in Quadro-Aufnahme oder -Bearbeitung beschickt.

2.1.4.  Gründe des Scheiterns

Durch die mechanisch-industrielle Fertigungstechnik und die aufwendige und oft parallel laufende Entwicklungsarbeit für eine kleine Stückzahl war ein hoher Preis zur Kostendeckung notwendig. Die Verbreitung der neuen Technologie in großen Stückzahlen und an viele Verbraucher auf breiter Basis hätte einen geringeren Preis ermöglicht, war aber wegen der Inkaufnahme eines Systemkampfes und einer zu engen Zielgruppe wohl nicht bedacht worden. Denn statt auf einen breiten Markt von Musikinteressierten hatte die Industrie vor allem vermögende Klassik-Hörer in den Fokus ihrer Marketingbemühungen gestellt. Grund für diese unnötige Verengung des Zielmarktes war wohl der damit geringe Produktionsaufwand für Quadro-Schallplatten, die nur für diese Zielgruppen produziert werden musste (man brauchte also nur die Klassik-Highlights in Quadro neu einzuspielen) und die Annahme, dass diese Zielgruppe der neuen Technik am aufgeschlossensten wäre.

Damit wurde zwar das finanzielle Risiko für diesen Bereich verringert. Zugleich wurde damit aber ein Markt abgesteckt, der die Kosten für Forschung und Entwicklung nur über lange Jahrzehnte hätte einspielen können – insbesondere bei mehreren konkurrierenden Systemen. Neben der offensichtlichen Überbewertung des damaligen Klassik-Marktes wurde auch die finanzielle Situation dieser Zielgruppe und deren potenzielles Interesse an der Quadrophonie stark überschätzt. Hierzu hat sicher auch die mangelnde Information der Verbraucher beigetragen. Denn auch ein bewusstes und vorbereitetes Eintreten in den Markt war bei keinem System und keiner Firma festzustellen. Es fanden keine Vorankündigungen und keine Testphasen bei kleineren Käufergruppen statt. Statt dessen traten die einzelnen Systeme wie aus dem Nichts auf, die Entscheidungen der Firmen für diese oder jene Technik wurden nur sehr selten erläutert. Gerade in einer Zeit, da neuen Technologien und Wirtschaft im Zuge der Nachbeben der 1968er Studentenbewegung Reserviertheit entgegengebracht wurde, hatte die Wirtschaft hier dem Marketing zu wenig Beachtung geschenkt.

Dabei wurde in der Fachpresse weder umfangreich zu einzelnen Systemen Stellung bezogen, noch hatten die Firmen anscheinend größere Bemühungen unternommen, den Kunden begreiflich zu machen, warum ausgerechnet ihr System besser, billiger oder einfacher zu bedienen sei. Gerade bei der komplizierten Technik der Quadrophonie wäre diese Informationspolitik dringend notwendig gewesen. Statt sich gleich zu Beginn auf einen Standard zu einigen (wie es bei der Stereo-Einführung recht problemlos möglich gewesen war) hatten die beteiligten Firmen in erster Euphorie das Potential der neuen Technik am Markt verkannt und es auf einen kostenträchtigen Verdrängungskampf der Systeme ankommen lassen, der wahrscheinlich auch weitere Irritationen beim Kunden auslöste. An die Stelle des


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