2.1.2. »Eine Technik kommt zu früh«: analoge Träger und fehlende Akzeptanz
verhindert die flächendeckende Verbreitung im Massenmarkt
Alle Speichertechniken und Systeme verband dasselbe Problempaar: Einer sehr
aufwendigen Technik mit mindestens 4 (aufmoduliert 2) diskreten Kanälen stehen allein
analoge Träger gegenüber, deren Technik entweder unzureichend wie bei der Schallplatte
oder teuer und unpraktisch wie beim Tonband waren (um nur zwei Beispiele zu nennen).
Erst die Einführung der Digitaltechnik (z. B. CD und DAT) beseitigte dieses technische
Problem der Trägertechnik.
Erstaunlich bei dem Versuch der Einführung der Quadrophonie ist, dass
diese Technik auf den deutschen Tonmeister-Tagungen von Beginn an nur
sehr wenig Resonanz erfahren hat. Sie wurde also allem Anschein nach von
der Seite der »Technologen« nicht als bahnbrechende Neuerung, sondern als
technisch zu aufwendig und als zu schwer umsetzbar angesehen. Nur auf den
Tonmeister-Tagungen 1972 und 1975 wurde das Thema kurz und zumeist ablehnend
behandelt.7
Podiumsgespräch über 4-Kanal-Aufnahmen bzw. Quadrophonie (vgl. Tagungsbericht im
Dokumentationsband der 9. Tonmeistertagung 1972, S. 111–120), sowie grundlegend Steinke:
Zur Entwicklung der Quadrofonie, 1972, S. 210–227. Hirschmann 1975, S. 30–33, Rothe 1975.
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Bezeichnenderweise stammte der einzige positive Artikel von einem Vertreter der Wirtschaft (Ernst
Rothe). 8
Rothe war zu der Zeit Leiter der Technischen Abteilung bei EMI-Electrola, Rothe 1975.
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Gerade diejenigen also, die für die Aufnahmen verantwortlich waren, über die die Technik
verbreitet werden muss, waren von Anfang an nicht von ihr überzeugt. Zwar wurde viel
experimentiert, die Tonmeister handelten aber oft nur auf Anforderung des Vertriebes
hin und sahen die Technik selber noch nicht als für eine Massenproduktion geeignet an.
Hierzu trug auch bei, dass die Quadro-Technik noch einige Probleme der Stereophonie
verschärft: 9
Siehe zu Problemen der Quadrophonie die Tonmeister-Interviews im Anhang sowie
Pfleiderer 1990, Holke 1977, Jecklin 1980 und Trautmann 1975, zu Schwierigkeiten
bei der Musikwiedergabe in Wohnräumen allgemein: Williges 1978, sowie allgemein zur
Aufnahmeproblematik Meyer 1996.
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- Für eine »richtige« Wiedergabe von Quadro-Werken wird eigentlich ein
schalltoter Raum benötigt, da ja in einer vorgegebenen akustischen
Umgebung eine andere akustische Umgebung simuliert bzw. wiedergegeben
werden soll.
- Die Summenlokalisation macht für optimales Hören einen zentimetergenau
festzulegenden besten Hörplatz nötig und schließt so einen freien Zugang
zum Musikhören oder das Hören mit mehreren Personen aus. Dabei ist
räumliches Hören nur unter idealen Bedingungen (richtige Raumausmessung,
gute Lautsprecheraufstellung) möglich. Bei nicht idealen Bedingungen ergibt
sich oft nur ein »oben-unten-Empfinden«, da Nachhall zwar im Raum geortet
werden kann, nicht aber als räumlich orientierte Schallfelder, sondern nur als
eine »Lautstärken-orientierte Hauptabstrahlrichtung«.
- Da keine Normierung der Mikrofon- und Lautsprecheraufstellung gegeben
ist und diese auch aufgrund wechselnder Aufnahme- und Wiedergaberäume
wenig
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