- 104 -Schabbing, Bernd: Musik- und Audiotechnologien zwischen Technik, Marketing und Kundenwunsch 
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Eberhard Sengpiel

Sengpiel arbeitete damals (wie heute) bei Teldec (Telefunken-Decca) SchaIlplattengesellschaft im Bereich Aufnahmetechnik und zwar zu gleichen Teilen in der Unterhaltungsmusikaufnahme auf 2 Zoll-24-Spurmagnettonbandgerät (analog/Dolby A) und in der Klassik-Musikaufnahme auf 1 /2-Zoll-Vierspur-Magnettonbandgerat (analog/Dolby A).

Seine Erinnerung: Um für die Zukunft gerüstet zu sein, hat man Anfang der 70er Jahre Quadrophonie-Aufnahmen bei klassischer Musik hergestellt. Es wurden extra für die Quadrophonie 1 /2-Zoll-Vierspurmaschinen (38 cm/s, Dolby A) angeschafft, um von den 24-Spur-Unterhaltungsmusikaufnahmen auf das Vierspurgerät mischen zu können und um Klassik-Musikaufnahmen direkt auf die Vierspurgerät mit vier diskreten Kanälen aufnehmen zu können.

Ingenieure und Firmenleitung waren an der Einführung der Quadrophonie mit vier gleichen Kanälen gleichermaßen interessiert, wobei die Quadro-Matrix-Verfahren als nicht ausreichend erkannt wurden. Unsere Schallplattenfirma konnte abwarten und musste sich keinem Quadro-System anschließen. Die Ingenieure wurden umworben und konnten Versuchs-Schallplattenschnitte mit verschiedenen Codern durchführen, z. B. die Firma CBS Columbia Broadcasting System (Columbia Records) bot uns den SQ-Decoder von Benjamin B. Bauer in Verbindung mit Sony an. Es wurden Versuchsplatten geschnitten, die ohne Hinweis auf Quadrophonie auf den Markt kamen, um die Reaktion der Hörer zu testen. Es gab nie irgend welche matrixcodierte Tonbänder, sondern nur Original-Vierspur-Aufnahmen oder Vierspurabmischungen von 24-Spuraufnahmen auf vier diskrete Kanäle.

Bei bestimmten Programmen wie z. B. einem Gottesdienst war es interessant, die Predigt vorne zu hören, die Orgel hinten und die Gemeinde von allen Seiten. Bei der Aufnahme eines Streichquartetts kann der zusätzliche Raum, wenn er zu stark ist, auf die Dauer eher störend sein. Bei Quadroaufnahmesitzungen war man im Regieraum besonders empfindlich gegenüber Störgeräuschen, die von hinten kamen, weil man dort »keine Augen« hat. Der Aufnahme-Streß war deutlich erhöht.

Probleme gab es beim besten Platz in der Mitte zwischen den vier Lautsprechern, denn da wollte mindestens der Executive Producer, der Tonmeister (Musik) und der Tonmeister (Technik) sitzen. Probleme gab es auch mit der Größe der Lautstärke der Hinten-Signale und der einstellbaren Verzögerungszeit dieser Signale zu den Frontsignalen. Bei den klassischen Aufnahmen wurden aus Rauschgründen erst einmal alle Kanäle voll ausgesteuert. Die meisten Aufnahmen wurden später mit reduziertem Raumanteil (hinten) zu üblichen Zweikanal-Stereoaufnahmen gemischt und als Stereo-Schallplatten veröffentlicht.

Technische Probleme hatte man mit der Verteilung der Schallquellen. Es gab praktisch nur Stereo vorne mit der maximalen Abbildungsbreite zwischen den Lautsprechern und Stereo hinten mit kleinerer Basis, also geringer als die hintere Lautsprecherbasis. Außerdem gab es zu beiden Seiten keine stabile Lokalisation der Phantomschallquellen, denn je nach Kopfhaltung springt das Hörereignis nach vorne und bei geringer Änderung der Kopfhaltung nach hinten. Ein Abmischen von »bedrohlichen« Schlägen des Schlagzeugs oder unbekannten Geräuschen auf die


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