- 42 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges lebt das Lied, vor allem der Liedanfang, in der Erinnerung nur mehr weiter als sprechende Metapher für das Kaiserreich. So heißt es etwa in Johannes Bobrowskis Roman »Levins Mühle« (1964) über den »evangelischen Belialssohn Glinski«, er sei »der galizische Landrat des preußischen Königs, dieser so frischgebackenen wie altertümlichen Majestät, die, nach einem Liede zu schließen, ein guter Mann ist, wohnhaft zu Berlin«.30

30   Johannes Bobrowski: Levins Mühle [1964]. In: Bobrowski: Gesammelte Werke. Bd. 3 (Die Romane). Berlin, Stuttgart 1987, S. 113.

Und 1974 benannte gar der Bühnenautor Hermann Gressieker sein Stück über Wilhelm II. nach diesem Lied.31

31   Hermann Gressieker: Der Kaiser ist ein lieber Mann. Theaterstück in 3 Akten. Berlin: Felix Bloch Erben, 1974.

Exkurs: Ungesungene Parodien

Gressiekers Theaterstück ist intendiert als »tragische Komödie« und zeigt im ersten Akt Wilhelm II. in Konversation mit seinem Hoffriseur Gustav Haby. Dabei fragt der Kaiser seinen Friseur u. a. auch nach einem »Lied, das da neuerdings herumgeht unterm Volk«, eine »Verhunzung des guten Volksliedes«, und lässt sich von der Gattin des Friseurs den »Gassenhauer, der dies in den Dreck zieht« vorsingen:

Der Kaiser ist ein lieber Mann,
er meint, dass er regiert.
Doch seht nur seinen Kanzler an,
wie der den Kaiser kirrt.

Der Kanzler ist ein schlauer Mann,
gar fein im Intrigier’n,
doch Einer im Auswärt’gen Amt,
der fädelt ein den Zwirn.

Man sieht ihn nit, man hört ihn nit,
der Kaiser kennt ihn kaum.
Der Zwirn, der ist ein Band, womit
Er beide führt am Zaum.

Geheimrat Holstein heißt der Mann,
sehr klein, doch groß am Werk.
Denn als der Riese Bismarck ging,
da ließ er uns den Zwerg.

Der »Wirkliche Geheime Rat«
hat einen großen Hut,
da sitzt er drin und sinnt und spinnt.
Weiß keiner, was er tut.
Weiß keiner, was er tat und tut:
Man sieht nur einen Hut.32


32   Ebd. Manuskript S. 38–39 und wenig später wird die erste Strophe leicht variiert: »[…] Doch schaut euch seinen Kanzler an, / wie der  …ihn jetzt dressiert!« (ebd. S. 41). – Ich danke dem Verlag Felix Bloch Erben (Berlin) für die Möglichkeit der Einsichtnahme in das unpublizierte Theaterstück.


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