mündlicher
Überlieferung illustrieren), spielte aber im aktiven Liedrepertoire der Zeit nach dem
Kaiserreich keine wesentliche Rolle mehr.
Kritische Zeitgenossen sahen das Lied als gleichermaßen prominenten wie bezeichnenden Bestandteil jener obrigkeitshörigen »Volkslied«-Pflege, bei der ein romantisierend-volkstümelndes Liedgut stets mit untertänigster Huldigung des Monarchen einher ging. Erich Weinert formulierte dies prägnant in der letzten Strophe seines satirischen Gedichts vom »Einheitsvolkslied«:
Die Lerche schmettert himmelan.
Doch selbst in den zwanziger Jahren konnte man das Lied zunächst noch in alten, nicht
ausgemusterten Schulbüchern finden. Beispielsweise erschien 1923 die 18. Auflage von
Moritz Vogels »Liederbuch für Höhere Mädchenschulen« unverändert mit diesem
Kaiser-Lied.25
Solche Quellen korrespondieren jener monarchistisch gesonnenen Strömung der zwanziger Jahre, die auf eine Rückkehr des Kaisers hoffte und eine Restaurierung der Monarchie anstrebte. Auch der Komponist Dietrich Erdmann (geb. 1917) erinnert sich etwa daran, wie er damals mit Befremden auf dieses Lied in seinem Lesebuch stieß und – als Kind eines engagierten Gewerkschafters – irritiert seine Mutter dazu befragte. Rückblickend resümiert Erdmann zu diesem denkwürdigen Erlebnis: »Ich würde sagen, dieser kleine, geradezu belanglose Vorfall war ein Symptom der Schwäche der Weimarer Republik. Es waren noch Lesebücher aus der Kaiserzeit im Umlauf«.26
Im NS-Staat gab es wiederum punktuelle Versuche, dieses Lied aus dem Kaiserreich den Bedürfnissen des »Dritten Reichs« anzupassen:
Der Führer ist ein lieber Mann,
Wie der Liedforscher Heinz Rölleke berichtet, hat er diesen Text bei seiner Einschulung (Herbst 1943 im
Sauerland) gelernt.28
Solche nazistischen Indienstnahmen des Liedes sind jedoch als lokal begrenzte Einzelfälle zu bewerten. Eine weitgreifende Liedverbreitung unter den Vorzeichen des »Führers« fand jedenfalls nicht statt.29
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