Der Text wurde auf die Melodie von »Üb immer Treu und Redlichkeit« gesungen.
Dieses 1775 von Ludwig Hölty verfasste Lied bediente sich seinerseits melodisch bei der
beliebten Arie »Ein Mädchen oder Weibchen« aus Wolfgang Amadeus Mozarts
»Zauberflöte« (1771). »Üb immer Treu und Redlichkeit« erlangte im 19. Jahrhundert
weite Verbreitung, und nach seiner Melodie wurden verschiedene weitere Texte gesungen.
Den besonderen Stellenwert dieser Melodie im 19. Jahrhundert markiert auch ihre
Verwendung im Glockenspiel der Potsdamer Garnisonskirche.
I. Vom Königslob zum Kaiserlied.
Die Anfänge der Liedgeschichte im 19. Jahrhundert
Ursprünglich war das Lied auf den »König« gemünzt; Autor und genaue Herkunft des
Liedes liegen aber im Dunkeln. Bislang lassen sich die liedgeschichtlichen Spuren bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen: Der früheste bekannte Beleg
ist das 1856 erschienene Liederbuch »50 Kinderlieder, zum Gebrauch in den
Elementarklassen höherer und niederer Schulen«, herausgegeben von H. Wehe (Leipzig:
Friedrich Brandstetter 1856). Dort wird das Lied (ohne weitere Angaben) bereits
als »Volkslied« bezeichnet – wobei diese Charakterisierung nicht zwangsläufig
Rückschlüsse auf einen hohen Verbreitungsgrad erlaubt, denn in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts findet man den Terminus »Volkslied« häufig auch bei kurzlebigen
(Gelegenheits-)Liedern, die das »Volk« zum Lobe des jeweiligen Landesfürsten damals
anstimmen sollte.
Seit 1856 ist die Textüberlieferung dieses wohl primär über schriftliche Vorlagen
rezipierten Liedes weitgehend konstant, auch in der mündlichen Überlieferung. Nur für die
direkte Ansprache an den Kaiser (dritte Strophe) gibt es bisweilen eine zweite Möglichkeit:
»Aus treuer Lieb’ bring ich die Blümchen dir!« heißt es dort – statt: »Der liebe Gott, der
schickt die Blümchen dir«. Diese Variante stammt ebenfalls schon aus der Zeit vor dem
Kaiserreich4
Erstmals: Großer Schulliederschatz oder 1000 Jugend- und Volkslieder. Ein Buch für
evangelische Lehrer sowie für alle Freunde gesunden Volksgesanges. Hrsg. H. B. Stork,
Gütersloh 1868, S. 142.-->
(und ist auch ein Hinweis auf den damaligen Säkularisierungsprozess).
In den 1880er Jahren gab es dann Versuche, den Wirkungskreis des Liedes
ins Österreichische zu erweitern: Sehr bezeichnend dafür ist das von Friedrich
Seidel in Wien herausgegebene Buch »Die Bewegungsspiele und Lieder des
Fröbel’schen Kindergartens« (1888), wo in der ersten Strophe zwei Textalternativen
angeboten werden: entweder »er wohnet in Berlin« oder »er wohnet dort in
Wien«.5
Die Bewegungsspiele und Lieder des Fröbel’schen Kindergartens. Hrsg. Friedrich Seidel. Wien
1888, S. 213.-->
Auch in einer Grazer Flugschrift findet sich die Fassung »er wohnet jetzt in
Wien«.
6
Flugschrift o. T. Graz o. J. [vermutlich 2. Hälfte 19. Jahrhundert]. DVA: Bl 13102.-->
Und nach
mündlicher Überlieferung wurde das Lied um 1900 in Böhmen mit dem Text »er wohnt im schönen
Wien« gesungen.
7
Aufzeichnung wie das Lied in Türmitz (bei Aussig) in Böhmen um 1900 gesungen wurde; lt.
Umfrage für das Sudentendeutsche Wörterbuch (Gießen) 1965. DVA: A 219 224.-->
Diese Erinnerung einer Gewährsperson aus dem Jahr 1965 deutet darauf hin,
dass es sich bei der Wiener Variante wohl nicht bloß um eine publizistische
Eintagsfliege gehandelt haben dürfte. Auch eine