- 228 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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ihre Verbindung mit echter Volkskunst wurde immer schwächer. Etwas wurde aus den Fingern gesogen ohne Bezug auf jahrhundertlange Traditionen und dann für echt russisch ausgegeben. Völliger Mischmasch resultierte aus der Unwissenheit der Leiter: Das Kostüm ist aus Kursk, getanzt wird aber wie im Norden Russlands (Klimov: Los, tanz mal! In: Volksschaffen. 6/1997. S. 4).

Das Ensemble von Ihor Moissejev wurde 2002 65 Jahre alt. Seine Aufführungen werden mit dem russischen Tanz gleichgesetzt: Man kopiert sie, betrachtet sie als Etalon. Wenn wir jedoch unsere Aufmerksamkeit den künstlerischen Schöpfungen dieses Ensembles in den letzten Jahren widmen, dann erkennen wir, dass seine Bestrebungen prinzipiell sehr weit entfernt sind von der Erhaltung, Entwicklung und Wiederbelebung der Grundlagen der Volkschoreographie. An der Moskauer Gnessin-Musikakademie untersucht zur Zeit Alexej I. Schilin Fragen der traditionellen regionalen Grundlagen der russischen Choreographie. Seine Videofilme und »Meister-Klassen« erlangen jedoch keine Berühmtheit beim breiten Publikum und werden von den Massenmedien nicht unterstützt.

Subethnische Gruppen in Russland

Ensembles, die die nationale Kunst der autonomen Republiken und verschiedener subethnischer Gruppen anderer in Russland lebenden Völker vorführten, empfanden gleichfalls den Druck der Stalinzeit – das äußerte sich einerseits in dem Zwang, auf ihren Festivals und Wettbewerben sowjetische Massenlieder aufzuführen, die die Heimat und die kommunistische Partei verherrlichten, und andererseits in der Europäisierung und Akademisierung der Tanz- und Instrumentalkunst.

Jedoch war Russland im Laufe des gesamten 20. Jahrhunderts auf seine Völker stolz und zeigte im Ausland gern die Kunst der Nganassaner, Evenken, Mordwinen, Udmurden, Dagestaner, Kabardino-balkaren u. a. nationaler Gruppen. Präsentiert wurde hauptsächlich deren tänzerisches Schaffen: Es gibt Rundfunksendungen und Fernsehfilme, die die Kunst dieser Volksgruppen – größtenteils Völker des Nordens – widerspiegeln.

Volkstümlich und folkloristisch bedeuten nicht dasselbe!

Der Unterschied zwischen der Musik, die offiziell für öffentliche Veranstaltungen erlaubt wurde, und der authentischen traditionellen Musik, die seit den dreißiger Jahren auf der Bühne nicht zugelassen war, drückte sich schon in den Bezeichnungen aus: Die erste nannte man volkstümlich, die zweite folkloristisch. Dieser Unterschied wurde bestätigt durch die Eröffnung sogenannter Häuser des Volksschaffens, die Repertoire und Ausführung bei Bühnenauftritten dörflicher Ensembles bestimmten. Sie wurden später in Wissenschaftlich-methodische Zentren der Volkskultur umbenannt. Andererseits wurden seit den achtziger Jahren Folklorezentren eröffnet, mit dem Ziel, traditionelle Volkskultur zu fixieren, zu erhalten, zu veröffentlichen und zu propagieren. Als recht fortschrittlich erwies sich die Tätigkeit des Republikanischen Zentrums der russischen Folklore (Leiter: Anatolij S. Kargin, Moskau), die sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre in den Zeitschriften Lebende


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