- 227 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Musik für russische Volksinstrumente und deren Präsentation in Russland

Die Musik für russische Volksinstrumente bleibt heute den meisten Zuschauern und Zuhörern in Russland unbekannt. Ein großes Hindernis auf dem Weg zur Wiederbelebung dieser Musik stellen die offiziellen Lehrstühle für russische Volksinstrumente dar, die an den Konservatorien und Musikinstituten Russlands geschaffen wurden. Hier lehrt man das Spiel auf (fabrikmäßig angefertigten) Musikinstrumenten (Ziehharmonika, Dombra, Balalaika). Aus solchen Instrumenten setzt sich auch ein Orchester der russischen Volksinstrumente zusammen, das zu den kulturellen Monstern der stalinistischen Epoche gehört: Es besteht aus 20–50 Instrumentalisten, die fast alle die Instrumente eines klassischen Sinfonieorchesters spielen. Heutzutage treten in Russland Hunderte von solchen Orchestern mit Bearbeitungen der klassischen professionellen Musik auf. Ihre Aufführungen schließen auch akademisierte Bearbeitungen russischer Volkslieder mit ein. Die authentische Instrumentalmusik der russischen Dörfer bleibt unbeachtet. Eine Ausnahme bildet das Folklore-Ensemble Russitschi (http://www.magicplanet.net/rusichi/), das 1991 in Amerika mit großem Erfolg traditionelle Dorfgeigen, Gudok (altrussische Streichinstrumente), Hörner aus Wladimir, Shalejki und Drehleiern mit einem entsprechenden Repertoire präsentierte. Im Inland ist diese Musikgruppe jedoch kaum bekannt. Leider sind solche Ensembles in Russland nur Amateurgruppen, denn nirgendwo wird offiziell das Spiel alter russischer Instrumente gelehrt. Es gibt keine Tradition der Vermittlung dieser Kenntnisse, und wenn einer der alten Darsteller die Bühne verlässt, bedeutet dies den Zerfall des gesamten Ensembles.

Russische Volkschoreographie heute

In einer sehr schwierigen Situation befindet sich zur Zeit die Präsentation der traditionellen russischen Tanzgenres. Das hängt u. a. mit Problemen bei ihrer Erforschung und Bewahrung zusammen. Diese Genres bedürfen einer sorgfältigen Videofixierung, die zu ihrer Blütezeit – vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Niedergang der alten russischen Dörfer mit ihrer Gemeinschaft, ihrem kirchlichen Leben und ihren Riten – noch nicht möglich war. In den 1930er Jahren – vor allem seit 1937 – wurden Kalenderreigen, Frühlings- und Winterbräuche abgelöst – zuerst durch brillante Darbietungen des Moskauer Staatlichen Ensembles des Volkstanzes von Ihor Moissejev (http://www.moiseyev.ru) und später durch eine Reihe ähnlicher regionaler Ensembles, die man Lied- und Tanz-Ensembles nannte. Diese Ensembles konstruierten aus dem Fundus traditioneller choreographischer Komponenten ihre eigenen Tanzsysteme. Über diese Ensembles schrieb Alexander A. Klimov, Volkskünstler, Professor der Moskauer Universität für Kultur und Autor des Lehrbuchs Grundlagen des russischen Volkstanzes:

Schablonen vernichten den russischen Tanz. Identische Kostüme, identische Bewegungen, identisches Tanzmuster – das alles zeigte sich in den 60er Jahren und war mit dem sogenannten ›Massenaufschwung‹ der Volkskunst verbunden. Damals stieg die Zahl der Tanzgruppen, Lied- und Tanz-Ensembles, aber


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