Bühnen: Zu erwähnen sind u. a. Tatiana Digun
(Tschechow), Natalja Giljarova (Moskau), Ekaterina Dorochova (Moskau), Tatiana
Ruditschenko (Rostov-am-Don), Elena Schischkina-Fischer (Astrachan). Alle diese
Gruppen beziehen sich in ihrem Schaffen auf die authentische Volksmusik. Sie
führen regelmäßige Feldforschungen durch. Dabei nehmen sie am Dorfleben teil
und beziehen Darsteller aus dem Volk in ihre schöpferische Arbeit mit ein.
Einige wenig bekannte Ensembles aus verschiedenen Städten Russlands erzielen
bedeutende Erfolge mit der Darbietung traditioneller regionaler Traditionen des
mehrstimmigen russischen Volksgesangs mit seinen vielfältigen Klangfarben. Dies wurde
bestätigt bei dem Allrussischen Sängerwettbewerb
Die Stimmen Russlands, an dem
1991 29 und 1994 bereits 56 Gruppen teilnahmen. Dennoch bleibt der größte
Teil dieser Ensembles für viele Zuhörer in unserem Land gerade wegen ihrer
Originalität unbekannt, denn im zentralen Fernsehen Russlands werden vor allem der
approbierte »solistische Volksgesang« und Gruppen mit dem bekannten Repertoire
dargeboten. Und auf CDs wird eine kommerzialisierte, verschlagerte Musik
verbreitet.
Der »solistische Volksgesang« an den Hochschulen
Die Generallinie für den »korrekten russischen Volksgesang«, den man vor allem mit
einem akademisierten einstimmigen Singen der Texte russischer Volkslieder gleichsetzte,
wurde in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts ausgearbeitet. An den führenden
Musikhochschulen des Landes wurden Lehrstühle für Sologesang der russischen
Volkslieder geschaffen, und bis in die Gegenwart wird dort eine einheitliche Klangfarbe
bzw. Stimmlage bei der Ausführung von Liedern verschiedener Genres und
unterschiedlicher regionaler Gesangstraditionen gelehrt. Der gesamte Bestand des
russischen Volksgesangs wird dabei auf drei Hauptgattungen reduziert: lyrische Lieder,
Scherzlieder und Vierzeiler (Tschastuschki). Diese Generallinie dominiert noch
immer und beeinflusst alle Massenmedien in Russland. So zeigt das zentrale
Fernsehen Aufnahmen mit Ljudmila Zykina, dem Ensemble Der goldene Ring mit
Nadeshda Kadyscheva und dem Ensemble Das russische Lied mit Nadeshda
Babkina. Über Nadeshda Babkina äußerte Wjatscheslav M. Schtschurov, Professor
des Moskauer Konservatoriums und einer der besten Kenner der russischen
Musikfolklore:
Kosaken- oder südrussische Volkslieder in einer amerikanisierten glänzenden
Verpackung: das ist ein Fehltritt, der zu einem sinnlosen stilistischen
Eklektizismus führt …Wahrscheinlich im Hinblick auf das anspruchslose
Publikum, welches gewohnte Schlager verlangt, schließt man ins Programm
Lieder ein, die schon zur Plage geworden sind (W. Schutschurov: Riskante
Suche. In: Volksschaffen. 5/1998. S. 13).