unter dem
russischen Volkslied ausschließlich einstimmige Lieder,
und sie lenkten die ganze Aufmerksamkeit der Leser und Hörer auf originelle
Einzelsänger, unter ihnen herausragende Dorfsänger der nordrussischen Heldensagen
wie Iwan Rjabinin, Maria Krivopolenova und Wassily Schtschegolenok. Einer
Reihe dieser hervorragenden Sänger wurden nach der Oktoberrevolution 1917
besondere Ehrungen zuteil. So schuf der sowjetische Bildhauer Sergej Konenkov die
hölzerne Skulptur
Verkündende Greisin, die Maria Krivopolenova gewidmet
war. Diese wurde in den 1930er Jahren zum Symbol der »echten« russischen
Volkskunst.
Alle russischen Komponisten verwendeten im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts
russische Volkslieder nur in einstimmiger Version und ignorierten die Besonderheiten der
Mehrstimmigkeit. Daraus resultierte die Tradition der einstimmigen Ausführung
mehrstimmiger Volkslieder. Als markantes Beispiel einer solchen Tradition dient die
hervorragende Interpretation russischer Lieder durch den berühmten russischen Sänger
Fjodor Iwanowitsch Schaljapin aus den Jahren 1910–14: darunter Ach, du Nacht
(noèen’ka), Geh auf, du Sonne, die rote (Ty wsoi’di, solnze krasnoe), die Balladen
Legende von den 12 Räubern (Legenda o 12 rasbojnikach) und Heldensage über Ilja
Muromez (Bylina o Il’je Muromze) und das Tanzlied Hatte eine Schwiegermutter sieben
Schwiegersöhne (Bylo u töšen’ki semero sjat’jow).
Das Erbe der Stalinzeit und die traditionelle Mehrstimmigkeit
Waren in der Zeit vor der Revolution das Studium des mehrstimmigen russischen
Volksgesangs und dessen Weitergabe durch das Fehlen entsprechender Aufnahmetechniken
erschwert, so geriet in der stalinistischen Epoche der Zwang zu einer einheitlichen
Denkweise der Massen in Widerspruch zu der Originalität, Phantasie und schöpferischen
Energie eines mehrstimmigen Ensembles. Die heterophonen Arten des mehrstimmigen
Gesangs waren dem Untergang preisgegeben. Sängerinnen wie Ljudmila Zykina und
Olga Voronets repräsentierten die Vorstellungen und Ideale der Zeit seit den 1940er bis
in die 1980er Jahre. Sie boten städtische Romanzen und deren kompositorische
Bearbeitungen solistisch dar. Gleichzeitig wurden Volkstrachten uniformiert und
nivelliert, die Instrumentalbegleitung akademisiert. Die Auftritte dieser Sängerinnen in
Rundfunk und Fernsehen wurden zu ständigen, obligatorischen Komponenten nationaler
Kultur in der Sowjetunion.
Lehrreich ist das traurige Schicksal eines hervorragenden Volkschores, den Mitrofan
Petrowitsch Pjatnizkij, Kenner und leidenschaftlicher Bewunderer des russischen
Volksgesangs, gegründet hatte. In den Jahren 1910–27 (zur Lebenszeit des Gründers)
bestand der Chor aus 15–20 Sängern – Bauern des Woronesher, Rjasaner und Smolenker
Gouvernements, die Pjatnizkij aus ihren Dörfern nach Moskau gebracht hatte. Der Chor
trug zur Verbreitung mehrstimmiger russischer Volkslieder aus mündlicher Überlieferung
bei, indem er Lieder verschiedener Genres aus regionalen Traditionen vortrug. In
der Stalinzeit jedoch verlor dieser Chor (der sich später mit 80–120 Sängern
bedeutend vergrößerte und den Namen seines Gründers Mitrofan P. Pjatnizkij zu
tragen begann) die Verbindung mit diesen authentischen, z. T. improvisierten
mündlichen Traditionen. Die heutigen Sänger dieses Chors