- 11 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Liedaufzeichnungen gab. Es betraf demnach die Kaukasusvölker, Tataren, Turkvölker und finno-ugrische Stämme.

Wie baute Lach seine experimentelle Dokumentationskette auf? Zunächst erfolgte durch ihn die phonetische Niederschrift nach dem Gehör, dann die Notation durch den Informanten oder einen Stammesangehörigen, erwies sich der Gewährsmann als des Schreibens unkundig. Schließlich erfolgte die Übersetzung der jeweiligen Sprache durch einen Dolmetscher ins Russische, die gleichfalls schriftlich festgehalten wurde. Im Rahmen dieses Sammelaktes mit seinem systematischen »Versuchsaufbau« wurden auch 150 estnische Lieder aufgezeichnet. Nur die »charakteristischen« wählte Lach zur Überprüfung der Korrektheit der Notation für Tonaufnahmen aus. Die Informanten erhielten den Auftrag, Lieder ihrer Heimat vorzutragen. Auch eine Belohnung versprach man: je mehr Gesänge, desto höher die Belohnung. Deswegen boten die Sänger ihren ganzen Liedbesitz auf, d. h. neben wenigen Volksliedern sowie Kunst-, Kirchen- und Chorliedern ein breites Spektrum verschiedenartigster Genres aus dem Bereich der Unterhaltungsmusik. Lach stellte auch Einflüsse von Volksliedern aus den umgebenden Ländern fest. Sogar Spuren von Tiroler und steirischen Nationalsängern ließen sich entdecken. Aus diesen Gründen überrascht es nicht, dass Lach nur zwei estnische Gesänge phonographierte, die von zwei Bauern vorgetragen wurden. Pöch seinerseits nahm 1915 auch estnische Lieder auf, darunter die Nationalhymne.

Seit 1926 bediente sich die Industrie anstatt des bislang üblichen mechanischen Schallaufzeichnungsverfahrens des elektrischen, dank einer Entwicklung der US-amerikanischen Bell-Telephone-Company. Sie garantierte qualitative Verbesserungen der Tonträger und Tondokumente. Nach mehreren Versuchsaufnahmen propagierte der schon erwähnte F. Hajek für das Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften das Umstellen der älteren Technik auf die neue. Mit einem Stimmporträt des Dichters Anton Wildgans im Studio des Phonogrammarchivs begann hier am 20. November 1931 die Zeit der elektrischen Schallplattenaufnahme, und sie währte gut zwanzig Jahre. Für Feldaufnahmen allerdings eignete sich die neue Technik nicht, denn zur Herstellung einwandfreier Tonzeugnisse war ein geschulter Techniker vonnöten, da die neue Apparatur für sonstige Personen zu kompliziert, zu schwer und außerdem von der Stromversorgung abhängig war. Das weltweite Stagnieren der Feldaufnahmen nach 1931 lässt sich vermutlich auf diese Arbeitsbedingungen zurückführen. Für die wenigen vom Phonogrammarchiv unterstützten Expeditionen benutzte man weiterhin den Archiv-Phonographen Type V.

Im Studio des Archivs kam es seit seinem Bestehen immer schon zu Tonaufnahmen. Ein Beispiel bilden die 1939 erfolgten Demonstrationen des Tresterns. Verantwortlich dafür waren die Tanzforscher Studienrat Herbert Lager und Ilka Peter, seitens des Archivs betreute der Anglist Walther Ruth7

7   Ruth war seit 1928 Assistent des Phonogrammarchivs und ab 1942 dessen Leiter.

die Aufnahmen. Das Trestern ist ein Männertanz, den Schönperchten alljährlich am 6. Jänner zeigen. Ihn charakterisieren komplizierte rhythmische Figuren, die die Tänzer mit ihren Beinen durch Schleifen, Klopfen, Stampfen und Springen auf Holzfußböden vollführen. Armbewegungen, hauptsächlich in jüngerer Zeit durch wachsenden Einfluss des Schuhplattelns vermehrt, begannen seit ca. 1939 eine immer wichtigere Rolle

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