- 10 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Eine Weile später musste Pöch die Protokolleintragung zu seiner Aufnahme berichtigen: »Ich wurde getäuscht; ist nicht die heilige, sondern die Knabenflöte Gupungup. Erstere klingt ähnlich, nur stärker.«

Dies erhellt einen ethnologisch wie psychologisch interessanten Tatbestand: Der Informant durfte es nicht wagen, die mit einem Tabu belegte heilige Flöte durch öffentliches Spiel zu entweihen. Um aber Pöch zufriedenzustellen, griff er zur Täuschung, denn es herrschte die allgemeine Verpflichtung zur Verschwiegenheit gegenüber Nichtinitiierten. Die Musikethnologen Adrienne Kaeppler und Don Niles führten zum Hintergrund des erwähnten Umstandes folgendes an:

Music […] importantly occurs in male association with male initiation. Instruments often play a predominant role […] either as creators of a spirit’s voice […] or as objects […] that transmit and authenticate esoteric knowledge and guarantee social responsibility. Uninitiated persons […] fear the sounds and must not learn that men create them. For learning this secret women have been put to death (Kaeppler/Niles 1998, S. 477).

Auch mit der Spielweise dieser langen Bambusrohrflöten beschäftigte sich Pöch, wie die Protokolleintragung zu Phonogramm 375 zeigt: »Die Flöte hat nur eine Öffnung, die Lippe wird knapp vor derselben gehalten.« Es stellte sich heraus, dass Europäer diese Flöten nicht spielen konnten, es fehlte ihnen an Kraft, den nötigen Winddruck zum Anblasen zu erzeugen. Der breite Brustkasten der Monumbos ermöglichte dies im Verein mit deren wulstigen Lippen. Die Jünglinge, die im Rahmen der Initiation in der Handhabung der Flöten unterwiesen wurden, hatten mitunter Anblasschwierigkeiten; ein Opfer – Blutabnahme von den Lippen – ließ diese auf Dauer anschwellen. Das verhalf zur Bildung des nötigen starken Luftstroms.

Am 10. November 1904 erwarb Pöch zwei Murups. Die beiden Burschen, die dieses Zeremonialflötenpaar zu spielen wagten, standen in europäischen Diensten, der eine in einer 1899 gegründeten katholischen Mission, der andere bei der Neuguinea-Kompanie in Potsdamhafen. Vermutlich waren beide Burschen ihrer eigenen Kultur bereits entfremdet.

Als Mitarbeiter des Phonogrammarchivs der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hatte Pöch 1915 auf Weisung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften auch in Gefangenenlagern phonographiert.5

5   Wie schon bei seinen älteren großen Feldstudien filmte Pöch auch bei diesem Auftrag, in dessen Rahmen insbesondere anthropologische Daten gewonnen werden sollten.

Wollen wir dies in Verbindung mit einem weiteren Akademieprojekt betrachten: 1916/17 sollte der Musikwissenschaftler Robert Lach in zwei Lagern die Gesänge russischer Kriegsgefangener dokumentieren.6
6   Lach wurde am 1. Oktober 1927 zum Ordinarius für Musikwissenschaft und Vorstand des Musikwissenschaftlichen Instituts an der Universität Wien bestellt.

Er strebte nach einer naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise von Musik, damit umfassend an Forschungsprobleme der Vergleichenden Musikethnologie herangegangen werden könne. Aufgrund dieses starken naturwissenschaftlichen Interesses schätzte er die Felderfahrungen Pöchs hoch. Daraus resultieren die Daten, die über experimentelle Methoden von Lach gewonnen wurden. Alle haben eine klar definierte Ausgangslage. Beim Experiment sind die Versuchsanordnungen und der Versuchsleiter gleichbleibend, nur die Versuchspersonen bzw. Informanten ändern sich. Lach fokussierte Völker Russlands, von denen es keine schriftlichen

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