- 98 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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verbirgt sich nach Dettmering eine verdeckte Homosexualität, die sich mit einer heterosexuellen Beziehung Lohengrins zu Elsa nicht verträgt. Lohengrins latente Homosexualität deutet Dettmering als schwache Männlichkeit. Diese hat Ortrud erkannt und sofort für ihre Zwecke ausgenutzt. So stellt die Verletzung des Frageverbots, von Ortrud initiiert, eine gezielte Depotenzierung Lohengrins dar. Erfährt Elsa die Herkunft Lohengrins, so wird damit auch seine latente Homosexualität aufgedeckt. Dies bedeute den Verlust seiner Männlichkeit. Aus heutiger Sicht kann diese Deutung nicht mehr nachvollzogen werden, da Homosexualität nicht als männliche Schwäche auszulegen ist. Betrachtet man jedoch das Erscheinungsjahr des Werkes von Dettmering, so erklärt dies vielleicht seine Deutung.

Ortruds Plan geht auf. Auch wenn Elsa sich zunächst gegen den aufkommenden Zweifel und die Eifersucht wehrt, hat Ortrud den Keim doch in sie eingepflanzt. So lässt Wagner Ortrud in der letzten Szene des zweiten Aufzuges mit erhobenen Händen wie eine Rachegöttin dastehen. Dem Zuschauer wird klar, dass ihr Plan aufgegangen ist. Schwäche zeigt Ortrud erst gegen Ende des Dramas, als Lohengrin Elsas Bruder Gottfried aus dem Wasser zieht und sie mit einem Schrei zusammenbricht (vgl. ebd., 164–165).

3 Zum Frauenbild in Lohengrin

3.1 Elsa

Wagner sehnt sich nach einer Frau, wie das folgende Zitat belegt: »Von dieser Höhe gewahrte mein verlangender Blick – das Weib.« Wagner meint hier die ideale Frau, die Frau schlechthin. Elsa könnte die Personifizierung dieser ›idealen Frau‹ sein. Schließlich ist sie die Frau, für die Lohengrin aus den Höhen seiner Gralswelt auf die Erde herabsteigt. Und nur für eine Frau, die dem Idealbild entspricht, würde Lohengrin seine Gralswelt verlassen. Elsa verkörpert diese ›ideale Frau‹. Da Wagner die Figur der Elsa geschaffen hat, kann man annehmen, dass sie auch Wagners ›idealer Frau‹ entspricht. Das wäre zu beweisen.

Elsa ist die Ergänzung Lohengrins. Sie ist der andere Teil seines Wesens. Zusammen ergänzen sich ihre weibliche und seine männliche Seite zu einem vollkommenen Ganzen. Sie ist der »Gegensatz, der in seiner Natur überhaupt mit enthalten und nur die notwendig von ihm zu ersehnende Ergänzung seines männlich, besonderen Wesens [...].« In diesem Zitat wird das Frauenbild Wagners besonders deutlich. Elsa kommt keine eigene Bedeutung zu. Sie wird dem Mann lediglich zugeordnet in der Funktion, für ihn erlösend zu wirken: »Elsa ist das Unbewußte, Unwillkürliche, in welchem das bewußte, willkürliche Wesen Lohengrins sich zu erlösen sehnt.« (Kapp 1914, 130)


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