verbirgt sich nach Dettmering eine verdeckte Homosexualität,
die sich mit einer heterosexuellen Beziehung Lohengrins zu Elsa nicht verträgt.
Lohengrins latente Homosexualität deutet Dettmering als schwache Männlichkeit.
Diese hat Ortrud erkannt und sofort für ihre Zwecke ausgenutzt. So stellt
die Verletzung des Frageverbots, von Ortrud initiiert, eine gezielte Depotenzierung
Lohengrins dar. Erfährt Elsa die Herkunft Lohengrins, so wird damit
auch seine latente Homosexualität aufgedeckt. Dies bedeute den Verlust
seiner Männlichkeit. Aus heutiger Sicht kann diese Deutung nicht mehr
nachvollzogen werden, da Homosexualität nicht als männliche Schwäche
auszulegen ist. Betrachtet man jedoch das Erscheinungsjahr des Werkes von
Dettmering, so erklärt dies vielleicht seine Deutung.
Ortruds Plan geht auf. Auch wenn Elsa sich zunächst gegen den aufkommenden
Zweifel und die Eifersucht wehrt, hat Ortrud den Keim doch in sie eingepflanzt.
So lässt Wagner Ortrud in der letzten Szene des zweiten Aufzuges mit
erhobenen Händen wie eine Rachegöttin dastehen. Dem Zuschauer wird
klar, dass ihr Plan aufgegangen ist. Schwäche zeigt Ortrud erst gegen
Ende des Dramas, als Lohengrin Elsas Bruder Gottfried aus dem Wasser zieht
und sie mit einem Schrei zusammenbricht (vgl. ebd., 164–165).
3
Zum Frauenbild in Lohengrin
3.1
Elsa
Wagner sehnt sich nach einer Frau, wie das folgende Zitat belegt: »Von
dieser Höhe gewahrte mein verlangender Blick – das Weib.« Wagner
meint hier die ideale Frau, die Frau schlechthin. Elsa könnte die Personifizierung
dieser ›idealen Frau‹ sein. Schließlich ist sie die Frau, für
die Lohengrin aus den Höhen seiner Gralswelt auf die Erde herabsteigt.
Und nur für eine Frau, die dem Idealbild entspricht, würde Lohengrin
seine Gralswelt verlassen. Elsa verkörpert diese ›ideale Frau‹. Da Wagner
die Figur der Elsa geschaffen hat, kann man annehmen, dass sie auch Wagners
›idealer Frau‹ entspricht. Das wäre zu beweisen.
Elsa ist die Ergänzung Lohengrins. Sie ist der andere Teil seines
Wesens. Zusammen ergänzen sich ihre weibliche und seine männliche
Seite zu einem vollkommenen Ganzen. Sie ist der »Gegensatz, der in
seiner Natur überhaupt mit enthalten und nur die notwendig von ihm zu
ersehnende Ergänzung seines männlich, besonderen Wesens [...].«
In diesem Zitat wird das Frauenbild Wagners besonders deutlich. Elsa kommt
keine eigene Bedeutung zu. Sie wird dem Mann lediglich zugeordnet in der
Funktion, für ihn erlösend zu wirken: »Elsa ist das Unbewußte,
Unwillkürliche, in welchem das bewußte, willkürliche Wesen
Lohengrins sich zu erlösen sehnt.« (Kapp 1914, 130)
|