wollte ich entfliehen,
sondern der morastigen, brodelnden Schwüle der trivialen Sinnlichkeit
eines bestimmten Lebens, des Lebens der modernen Gegenwart.« (Kapp
1914, 124)
2.4
Wagner in der Beziehung Ortrud – Lohengrin
Wie oben ausgeführt sah der Komponist sich in einer Situation, in der
seine Umwelt ihn ablehnte. Er fühlte sich von ihr missverstanden. Und
er war nicht bereit, seine Kunst auf den Geschmack des Publikums und der
Kritiker auszurichten. Doch merkte er auch, dass dies notwendig war für
sein finanzielles Auskommen. Die Ursachen für diesen Bedingungszusammenhang
sah er in der politischen Situation der Zeit. Während der Entstehung
des Lohengrin beschäftigte Wagner sich
daher zunehmend mit politischen Ideen revolutionären Inhalts. Er sah
eine neue Ordnung nahen (vgl. Gutman 1989, 142–151). Folgt man dem Aufsatz
Lohengrin oder die Utopie in A-Dur von Hans Mayer,1
1
Zum ersten Mal erschienen in den Bayreuther Programmheften des Jahres
1968 |
so ist Lohengrin als Kritik Wagners an den
politischen Bedingungen der damaligen Zeit zu betrachten, die sein erfolgreiches
Fortkommen verhinderten.
Hans Mayer sieht die Beziehung zwischen Lohengrin und Ortrud primär
unter politischen Gesichtspunkten. Auf den ersten Blick scheint der Kampf
Lohengrins gegen Ortrud ein Kampf des Christentums gegen das Heidentum zu
sein. Dabei verkörpert Lohengrin das Christentum, Ortrud das Heidentum.
Bedenkt man jedoch die philosophischen Einflüsse Feuerbachs auf Wagner
und deren Erscheinungsform in Lohengrin,
2
so ergibt sich ein Widerspruch3
3
Auch Wagner selbst sprach sich vehement gegen eine christliche Deutung
aus (vgl. Kapp 1914, 117). |
. Wenn Lohengrin nicht der christliche Gralsritter und Ortrud nicht die heidnische
Zauberin ist, so könnte Ortrud, betrachtet man Lohengrin als Verkörperung
des einsamen Künstlers Wagner, als Sinnbild einer aristokratischen oder
auch bürgerlichen Umwelt gedeutet werden, zu der der einsame Künstler
(Wagner) sich im Widerstand befindet (vgl. Csampai/Holland 1989, 225). Wagners
Publikum bestand zum größten Teil aus Mitgliedern des Adels und
des wohlhabenden Bürgertums. Wie das Handeln dieser Menschen, so Wagners
Anklage, werde Ortruds Handeln angetrieben von einem Streben nach Erhaltung
bestehender Machtverhältnisse, legitimiert durch Herkunft und Besitz.
In diesem Sinne äußerte er sich über die Figur Ortruds
in einem Brief an Franz Liszt vom 30. Januar 1852: »[...] Es ist eine
Liebe in diesem Weibe [Ortrud], die Liebe zu der Vergangenheit, zu untergegangen
Geschlechtern, die
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