- 93 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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sich unter den Künstlern seiner Zeit in einer Ausnahmestellung sah, lassen sich Parallelen zur Figur des Lohengrin feststellen. Sowohl Wagner als auch Lohengrin stehen fernab ihrer Mitmenschen in erhöhter Position. In diesem Sinne kann Lohengrin als »Versinnbildlichung des modernen Künstlers«, wie Wagner ihn sich wünscht, verstanden werden (vgl. von Soden 1980, 67).

»Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte: das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei, und weil er so sei, wie er ihm erschiene. Er suchte das Weib, dem er sich nicht zu erklären, nicht zu rechtfertigen habe, sondern das ihn unbedingt liebe.« (Kapp 1914, 124) Auch in der Forderung, sich nicht rechtfertigen zu müssen, spiegelt sich möglicherweise Richard Wagners Beziehung zu seinem Publikum und zu seinen Kritikern wider. Von beiden fordert er Verständnis für seine Kunst. Er gibt selbst zu verstehen, was er mit »mich verstehen« meint: In seine Kunstwerke lege er eine bestimmte Absicht und nur diese dürfe als wesentlich betrachtet werden. Sie allein gebe Aufschluss über das Wesen des Künstlers (vgl. ebd., 58). »Mich verstehen« heißt bei Wagner also, das von ihm für wichtig Erachtete erkennen. Das Verständnis für ein Kunstwerk verläuft dabei über die Gefühlsebene: »Das notwendige und natürliche Verlangen dieses Künstlers ist, durch das Gefühl rückhaltlos aufgenommen und verstanden zu werden.« (ebd., 127) Eine Antwort auf das Kunstwerk kann daher nur durch das Gefühl erfolgen. Kritiker hingegen antworteten mit dem Verstand. Für Wagner resultiert daraus Unverständnis des Kritikers gegenüber seinem Kunstwerk. Er formuliert es noch drastischer: Kritik überhaupt »ist in Wahrheit nichts andres als das Verständnis des Unverständnisses des Kunstwerkes.« (ebd., 59) Für Wagner gibt es also nur eine Wahrheit: seine eigene. Kritisiert ihn jemand, so wird dieser zum Gegner, der nur einem Irrtum erlegen sein kann. Wenn Lohengrin also von Elsa fordert, sich nicht rechtfertigen zu müssen, so kann dies als Zurechtweisung Wagners an seine Kritiker verstanden werden.

2.3 Sehnsucht nach wahrer Liebe

Das Frageverbot lässt aber noch eine weitere Interpretation zu. Dazu sei noch einmal das Zitat aus Eine Mitteilung an meine Freunde in Erinnerung gerufen: »Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte: das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei, und weil er so sei, wie er ihm erschiene. Er suchte das Weib, dem er sich nicht zu erklären, nicht zu rechtfertigen habe, sondern das ihn unbedingt liebe.« Hier ist Lohengrins Furcht zu spüren, wegen der Besonderheit seiner Existenz bewundert und nicht wirklich geliebt zu werden. Aus diesem Grund versucht Lohengrin seine Herkunft vor Elsa zu verbergen. Er setzt das Frageverbot ein. Nur wenn Elsa


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