- 83 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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wohlgesonnenen Freunden, fröhlichem Gelächter, Sorglosigkeit und Heiterkeit. Es war die Zeit, die ihr Sohn Sebastian als »vielleicht die glücklichste Zeit im Leben Fannys« (ebd., 566) bezeichnete.

6 Doppelter Auftrag: ›Frau und Mutter‹ versus ›Musikerin und Komponistin‹ – Konflikt des doppelten Auftrages am Beispiel der Beziehung zu Felix

Im Jahr 1819/1820 verbrachte Abraham aus geschäftlichen Gründen ein Jahr in Paris. Auch dort fühlte er sich für die Erziehung seiner Kinder verantwortlich und machte seinen erzieherischen Einfluß aus der Ferne geltend. An Fanny schrieb er:

»Was du mir über Dein musikalisches Treiben im Verhältnis zu Felix in einem Deiner früheren Briefe geschrieben, war eben so wohl gedacht als ausgedrückt. Die Musik wird für ihn vielleicht Beruf, während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Thuns werden kann und soll; [...] [daß Du] durch Deine Freude an dem Beifall, den er sich erworben, bewiesen hast, dass Du ihn Dir an seiner Stelle auch würdest verdienen können. Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen.«  (ebd., 122ff.)

Die bis dahin parallel laufende Erziehung der Geschwister Fanny und Felix und der gleich hohe Leistungsanspruch sehen auf den ersten Blick nach Gleichbehandlung aus. Doch wurden die Jungen mit einem anderen Ziel erzogen als die Mädchen. Für Felix konnte die Musik Beruf, für Fanny jedoch niemals Bestimmung werden. Ihre Aufgabe war es, zurückzutreten, Felix den Vortritt zu lassen und ›weibliches Betragen‹ zu üben. Im gleichen Brief erwähnte Abraham ihre Romanzen, die er lobte und kompetent kritisierte.

An dieser Stelle wird der ›doppelte‹ und divergierende Auftrag deutlich, dem Fanny in beiderlei Hinsicht gerecht werden sollte: einerseits ganz Frau und Mutter, andererseits eine gute und kompetente Musikerin und Komponistin zu werden. Für Abraham stellte eindeutig der häusliche Rahmen die Begrenzung für die Musikerin dar.

Die enge emotionale Beziehung zwischen den ältesten Geschwistern lässt sich schon früh dokumentieren. »Sie sind eins für das andere eitel und stolz«, äußerte Lea bezüglich Fanny und Felix (Hensel 1995, 169). Doch war Fanny diejenige, die Verzicht üben musste. Eindringlicher als die Worte des Vaters machte ihr die Felix zuteil werdende Vorzugsbehandlung bewusst, dass sie


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