- 66 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Verläufe, die symmetrisch zur Sekund- oder Eintonachse angelegt sind, wobei ich mir die Freiheit nehme, Interpolationen vorzunehmen, etwa das nahezu diatonische Christ ist erstanden in den zweiten Teil der Symphonie zu integrieren ohne die Grundstrukturen zu ändern. Diese Technik gibt mir also eine große Freiheit zu verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten.«

Obgleich also die technische Disziplin, die von der klassischen Dodekaphonie hergeleitet wurde, beibehalten ist, kann die »süße, anmutende Stimmungslage« der Berceuse aufklingen. Vorbild für eine solche Handhabung und Freizügigkeit im Umgang mit der Reihentechnik ist ihm Anton von Webern, beispielsweise mit dessen Streichquartett op.28.11

11 Anton von Webern: Streichquartett op. 28 (November 1936–März 1938), Boosey & Hawkes 1939.

Auf den Titel des Stückes angesprochen, verweist Witold Szalonek auf die Berceuse von Chopin, um zu erklären was nach seinem Verständnis eine Berceuse ist. Mit dem Titel gibt der Komponist, auch wenn er es nicht beabsichtigt, Hinweise oder sogar Hörhilfen. Auch Sergej Prokofjew stellt Überlegungen dazu an, ob er in seinen Visions fugitives Untertitel geben soll, wie »Großmütterchens Erzählungen«. Doch Titel bergen die Gefahr in sich, daß zu schnell weggehört wird, weil sich mit dem Titel ein vermeintliches Verständnis verknüpfen läßt. »Man soll die Musik nicht verstehen, man soll von ihr gerührt werden. Denn das Ziel der Musik ist doch erst dann erreicht, wenn sie da ist, um zu bewegen.«

Es folgte noch eine Aussage zum fachmännischen Taxieren von Musik:

»Es gehört – so meine ich – nicht zur Professionalität, daß ich meiner eigenen oder fremder Musik, wenn ich sie höre, Bilder zuordne. Das war mal so in meiner Jugendzeit und da waren es bestimmte Bilder, die mit der Musik verbunden waren. Heute versuche ich mir meine Musik so anzuhören, als wäre sie fremd. Ich höre und kontrolliere, ob die verwendeten Elemente und ihre Akzentuierung stimmen, ob sich der formale Prozeß der Entwicklung verstärken und verdeutlichen läßt. Dennoch kommt das Nachbessern selten bei mir vor. Ich spüre also der Musik nach, empfinde sie, ordne ihr jedoch keine Bilder zu.«

6 Sprechen über Musik

Musik als eine »asemantische Gefühlssprache« zu definieren, wie der Komponist Witold Szalonek sein Verständnis musikalischer Kommunikation charakterisiert und in diesem Kommunikationsprozeß seine Rolle als Komponist umreißt, bedeutet die Annahme einer grundsätzlichen Übereinstimmung von


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