- 387 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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begründen ein stetes Auseinanderdriften von dem, was erwartet werden darf, und dem, was geboten wird; die didaktischen Probleme mehren sich. Ich möchte daher im folgenden aufzeigen, welche Inhalte und Ziele mit einer sozialbiographisch geprägten Auseinandersetzung um Musik verbunden sein können.

4 Möglichkeiten und Grenzen des biographischen Elements im Dienste einer Auseinandersetzung mit Musik

In der ursprünglichen Wortbedeutung ist die Biographie – hergeleitet vom griechischen bios (Leben) und graphein (schreiben) – lediglich eine Lebensbeschreibung. Immer schon gingen die Biographen jedoch davon aus, dass ihre Darstellungen sich nicht allein in sich selber begründeten, sondern auch für Unbeteiligte von Interesse sein müssten. Somit versucht jede Biographie auch überindividuelle Aspekte innerhalb des bezeichneten individuellen Lebenslaufs aufzuzeigen; diese didaktische Prämisse kann einerseits durch die Vermittlung der Einflüsse, die die beschriebene Person auf die Umwelt des Lesers hat, erfüllt sein, sie kann andererseits aber auch in der Beschreibung humaner Konstanten, in denen der Leser Identifikationsmöglichkeiten für sein eigenes Leben findet, Berücksichtigung finden. In diesem Sinne versuchten die biographischen Darstellungen über ihren Gegenstand hinauszuweisen; ob man die Kaiserbiographien Suetons liest, Einharts Vita Caroli Magni oder neuere Biographien aus dem politischen Leben der Gegenwart, man bekommt über die bestimmenden Ereignisse eines Lebens hinaus auch ein Bild der Persönlichkeit gezeichnet, das durch die Interpretation des Faktischen abgeleitet wird. Damit stehen Biographien in einem Wechselverhältnis von unbezweifelbaren Rahmenbedingungen, die sich oft in Raum und Zeit erschöpfen, und zur Diskussion stehenden Interpretationsergebnissen. Eine adäquate Auseinandersetzung mit einer Biographie muss daher die Möglichkeit bergen, die Fakten und Interpretationen als solche zu erkennen und durch Offenlegung der in der Darstellung verwandten Methoden und Materialien die Schlussfolgerungen des Autors auf ihren sachlogischen Gehalt zu überprüfen.

Solche sachorientierten Fragen an Musikbiographien im Rahmen didaktischer Analysen mögen manchen am Unterrichtsprozess Beteiligten bereits als zu aufwendig erscheinen; die Anforderungen mehren sich jedoch noch, nimmt man die notwendigen Bezüge zwischen Materialinhalt und Unterrichtsziel hinzu und stellt sich die Frage, was biographische Information im Rahmen des Musikunterrichts leisten kann und soll.


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