begründen ein stetes Auseinanderdriften von dem,
was erwartet werden darf, und dem, was geboten wird; die didaktischen Probleme
mehren sich. Ich möchte daher im folgenden aufzeigen, welche Inhalte
und Ziele mit einer sozialbiographisch geprägten Auseinandersetzung
um Musik verbunden sein können.
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Möglichkeiten und Grenzen des biographischen Elements im Dienste einer
Auseinandersetzung mit Musik
In der ursprünglichen Wortbedeutung ist die Biographie – hergeleitet
vom griechischen bios (Leben) und graphein (schreiben) – lediglich eine Lebensbeschreibung.
Immer schon gingen die Biographen jedoch davon aus, dass ihre Darstellungen
sich nicht allein in sich selber begründeten, sondern auch für Unbeteiligte
von Interesse sein müssten. Somit versucht jede Biographie auch überindividuelle
Aspekte innerhalb des bezeichneten individuellen Lebenslaufs aufzuzeigen;
diese didaktische Prämisse kann einerseits durch die Vermittlung der
Einflüsse, die die beschriebene Person auf die Umwelt des Lesers hat,
erfüllt sein, sie kann andererseits aber auch in der Beschreibung humaner
Konstanten, in denen der Leser Identifikationsmöglichkeiten für
sein eigenes Leben findet, Berücksichtigung finden. In diesem Sinne
versuchten die biographischen Darstellungen über ihren Gegenstand hinauszuweisen;
ob man die Kaiserbiographien Suetons liest, Einharts
Vita Caroli Magni oder neuere Biographien aus dem politischen Leben
der Gegenwart, man bekommt über die bestimmenden Ereignisse eines Lebens
hinaus auch ein Bild der Persönlichkeit gezeichnet, das durch die Interpretation
des Faktischen abgeleitet wird. Damit stehen Biographien in einem Wechselverhältnis
von unbezweifelbaren Rahmenbedingungen, die sich oft in Raum und Zeit erschöpfen,
und zur Diskussion stehenden Interpretationsergebnissen. Eine adäquate
Auseinandersetzung mit einer Biographie muss daher die Möglichkeit bergen,
die Fakten und Interpretationen als solche zu erkennen und durch Offenlegung
der in der Darstellung verwandten Methoden und Materialien die Schlussfolgerungen
des Autors auf ihren sachlogischen Gehalt zu überprüfen.
Solche sachorientierten Fragen an Musikbiographien im Rahmen didaktischer
Analysen mögen manchen am Unterrichtsprozess Beteiligten bereits als
zu aufwendig erscheinen; die Anforderungen mehren sich jedoch noch, nimmt
man die notwendigen Bezüge zwischen Materialinhalt und Unterrichtsziel
hinzu und stellt sich die Frage, was biographische Information im Rahmen
des Musikunterrichts leisten kann und soll.
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