Jahren immer mehr in Widerspruch zum vorfindlichen Musikleben; die biographische
Darstellung verlor zunehmend ihre Legitimation.
Vor dem Hintergrund der Funktionalisierung biographischer Darstellungen
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und in der Erkenntnis der
Mängel, die Auswahl und Inhalt solcher Darstellungen bestimmten und
die ihnen scheinbar zwangsläufig immanent waren, wurde die Komponistenbiographie
Ende der 60er Anfang der 70er Jahre aus den Materialien für den Musikunterricht
verbannt. Dass das biographische Element nicht mehr Bestandteil eines zeitgemäßen
Musikunterrichts sein sollte, hatte seine Gründe jedoch auch in der Neuorientierung
dieses Unterrichts.
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Die Neuorientierung der Musikpädagogik: Musikvermittlung unter Ausschluss
des biographischen Elements
Als ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre neue Konzepte den überkommenen
Musikunterricht ersetzten, begann ein radikaler Wandel der Methoden, Inhalte
und Ziele in der Musikpädagogik, ein Wandel, der erstmals auch durch
eine umfassende wissenschaftliche Begründung und Aufarbeitung begleitet
wurde. Ob es sich um die ›Orientierung am Kunstwerk‹, um eine ›Einführung
in die Musikkultur‹, um ›Auditive Wahrnehmungserziehung‹, um ›Schülerorientierung‹,
›Handlungsorientierung‹ oder andere Modelle der Musikdidaktik handelte, sie
alle wechselten die Perspektive von der Betrachtung des Komponisten als einmaligem
und geniehaften Schöpfer zum Verständnis des Werks, der Hörbedingungen,
der Vermittlungsbedingungen und der Frage der Machbarkeit von Kunst. Hinzu
trat eine Ausweitung der Inhalte auf andere Musikkulturen (geographisch,
zeitlich oder sozial determiniert) und ein stärkerer Einbezug des Musiklebens
im jeweiligen Entstehungs- oder Verwendungszusammenhang. Das Verständnis
um Inhalte und Bedingungen von Musik sollte genauso durch mündiges Hören
und emanzipativen Umgang wie durch selbstbestimmte Mitgestaltung und kritische
Distanz des Vorfindlichen geprägt sein. Auf diese Weise verschwand ein
Großteil der emotional bestimmten Zugänge zur Musik, die bis dahin
den Unterricht bestimmten. Auch das biographische Element wurde als eine
emotional geprägte Vermittlungshilfe von jetzt an vernachlässigt;
man lehnte die Hilfsanalogien zwischen Leben und Werk ab, die bis zu diesem
Zeitpunkt lediglich vordergründige Identifikationen angeboten hatten
und die außermusikalischen Informationen in den Mittelpunkt stellten,
anstatt zu den eigentlichen Inhalten eines Werkes zu gelangen.
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