- 384 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Leben und Werk so genannter »bedeutender Komponisten« in den Schulmusikunterricht einzubeziehen suchte. Einzelne Stimmen in Deutschland und Österreich mahnten schon in der Kaiserzeit die stärkere Thematisierung national bedeutsamer Künstlerbiographien an. Die Internationale Musikgesellschaft verlangte auf ihrem dritten Kongress 1909 in Wien von den so genannten Kulturstaaten, »in dem Geschichtsunterricht an Mittelschulen auf die Hauptphasen und hervorragendsten Meister der Tonkunst Rücksicht zu nehmen mit Hinweis auf die kulturelle Bedeutung der Musikpflege und die Fortschritte der Musikwissenschaft. Auch in den Bürgerschulen oder den diesen gleichwertigen Schulen sollte wenigstens auf einige Tonheroen der betreffenden Länder in der Heimatkunde aufmerksam gemacht werden [...], von denen biographisch-künstlerische Geschichtsbilder gegeben werden sollten.« (Storck 1916, S. 49)

Der Musikunterricht der Weimarer Republik nahm jedoch, nimmt man die Lehrbücher als Hinweis, das biographische Element nur zögerlich auf. Nach 1933 mehrten sich dann mit der Fokussierung auf das nationale und später rassische Element von Werk und Person die Musikerbiographien. Die Indienstnahme der Schulmusik für die Zwecke des Nationalsozialismus bedingte in den Materialien verkürzte und verfälschte Lebensdarstellungen, die den Zweck der positiven Überzeichnung bestimmter Komponisten und damit ihrer Ideologisierung in bezug auf die Verwendung und den Stellenwert in der deutschen Gesellschaft verfolgten. Dabei bleiben Werk und Leben jedoch weitgehend unverbunden nebeneinanderstehen, wie beispielsweise im Schülerband Vom Leben und Schaffen deutscher Musiker der bekannten Garbe (Schmidt/Weber 1942). Hier folgt einer Aneinanderreihung von Sekundärdarstellungen und Dokumenten zur jeweiligen Person zwar ein eigener Abschnitt zum Werk, Rückbezüge auf das Biographische sind aber kaum zu finden.

Diese Trennung von Werk und Leben unter Beibehaltung der Heroisierung der Person kennzeichnet auch die Unterrichtsmaterialien der 50er und 60er Jahre. Eine vielschichtige Einschränkung sollte den Schülerinnen und Schülern ein Musikgeschichtsbild vermitteln, das in einer kontinuierlichen Entwicklung vom Genie der wenigen herausragenden Protagonisten bestimmt wird. Die Ausgrenzung des sozialen Rahmens der allgemeinen Musikkultur jeder Zeit, die Ausgrenzung der Brüche in der Entwicklung, die Ausgrenzung der vielfältigen außereuropäischen Musikkulturen und die Eingrenzung auf die so genannte »ernste Musik« der Vorklassik, Klassik und Romantik verstellten eher einen Zugang zur Musikkultur als ihn zu ermöglichen. Vermeintliche Musikautoritäten (Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Wagner, Brahms u.a.) gerieten bei Schülerinnen und Schülern in den 50er


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