ist der moderne sound, die Verwendung amerikanischer Modetänze und die
Rockmusik, oder was dafür gehalten wird. Andrew L. Webbers Erfolge,
mögen sie einer sachlichen und musikalischen Analyse auch nicht gerecht
werden, beruhen auf dieser Art Instrumentation und auf der aufwendigen Ausstattung.
Eine glanzvolle Show ohne geistigen Aufwand kommt besser an als Sozialkritik
und politische Belehrung. Das heutige Publikum lehnt tragische Helden noch
entschiedener ab als das vorige Jahrhundert; es möchte nichts anderes
als nur unterhalten werden.
3
Jacques Offenbach (1819 – 1880)
Die Erfolge Offenbachs überschatten alles Vorhergegangene und sind zugleich
Maßstab und Richtschnur für alles Folgende. Am häufigsten
sieht man heute noch Orphée aux Enfers
(Orpheus in der Unterwelt) und La belle Helène
(Die schöne Helena). Der aktuelle Bezug liegt darin, daß die mythologische
Antike nur als Vorwand genommen wird, um gegen Autorität im allgemeinen
und gegen Mißstände der Regierenden im besonderen zu polemisieren.
Ein Dauerbrenner also, wenn die Regie Witz und Humor in den Vordergrund stellt
und keine verstaubte Klamotte daraus macht. Wenn es gelingt, aktuelle Themen
mit hineinzunehmen, muß auf Originaltreue nicht peinlich genau geachtet
werden.
Offenbach hat es verstanden, mit der Satire im heiteren Kleid des komödiantischen
Spiels der Zensur den Wind aus den Segeln zu nehmen, ähnlich wie heute
gutes Kabarett mit Tagesthemen umgeht. In Wien wurde der
Orpheus bereits 1860, zwei Jahre nach der Pariser Uraufführung,
nachgespielt. Mag es an Offenbachs Musik oder an der Textbearbeitung durch
Johann Nestroy gelegen haben, jedenfalls war der Erfolg groß und der
Motivationsschub für die Wiener Operette ebenso. Offenbach benutzt Lied-,
Tanz- und Marschtypen seiner Zeit und steigert sich zum Walzer-Finale, Galopp-Finale,
Cancan-Finale. Die Walzerseligkeit dieser Epoche wird als das Hauptmerkmal
der Wiener Operette bezeichnet. Jedoch sieht Dahlhaus gewisse Unterschiede
zwischen Offenbach und Johann Strauß: »Der Gesellschaftstanz
wurde in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, in [...] Paris ebenso
wie in [...] Wien, zu einem Phänomen, das kaum anders als mit Kategorien
der Massenpsychologie zu schildern ist.« (Dahlhaus 1980, 191ff.)
Und weiter:
»In der Strauß’schen Polka sind, trotz des raschen Zeitmaßes,
die vier Achtel eines Taktes nach dem
Schema, daß 1 und 3 schwerer sind als 2
und 4, und 1 wiederum schwerer als 3, metrisch fühlbar differenziert,
und die Abstufung läßt die einzelnen
Takte, die ein ausbalanciertes System
bilden, als in sich relativ geschlossene Einheiten erscheinen.
|