- 370 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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es in früheren Jahren, schon im 12. oder 13. Lebensjahr, »vor der Vorpubertät«, ja sogar im Vorschulbereich genügend Gelegenheit, eigenes szenisches Gestalten, auch mit Gesang und Instrumenten, Tanz und Bühnenbild, anzuregen und zu pflegen. »In der SII [...] bietet sich eine Zusammenarbeit mit dem Fach Deutsch an; auch die Zusammenarbeit mit Geschichte und Sozialkunde bietet sich an.« (Zimmerschied 1988, 139) Dem könnte man entgegenhalten, daß jedes andere Schulfach genau sowenig oder soviel mit dem lebendigen Theater zu tun hat wie Musik. Es ist mehr eine Frage des Initiators und der dafür verfügbaren Zeit.

Während Schüler oft schon recht früh eine Abneigung gegen den klassischen Ariengesang entwickeln, empfinden sie Popgesang, mag dieser auch heiser und gequetscht klingen, als ganz natürlich. Ursache dafür ist die Gewöhnung an den Gesangstil der Popsänger, wie er den Kindern tagtäglich in den Ohren klingt, vermischt mit elektronisch verstärkter Baßbegleitung und stark markierten Rhythmen. Im Vergleich dazu wirkt Belcanto geradezu fremdartig, wie umgekehrt der Klassikhörer auf Popgesang eher ablehnend reagiert. Hier prallen unterschiedliche Kulturkreise kompromisslos aufeinander. Wirkliche Begeisterung kann unter gewissen Umständen aufkommen, wenn die lustige Stimmung ansteckend wirkt, oder wenn sich spontan Fangemeinden bilden. Solche Bedingungen kann gerade die Operette erfüllen, freilich mit der Einschränkung, daß die Entstehungszeiten der heute beliebten Stücke nur in die Zeit zwischen 1858 (Offenbachs Orpheus) und 1930 (Benatzkys Weißes Rößl) fallen. Der aktuelle Bezug ist nur in Analogien möglich, wenn nicht die Texte überarbeitet, d.h. völlig geändert und aktualisiert werden. An der Musik wird das aber nichts ändern, die Modetänze bleiben zeitgebunden.

Die Suche nach Lernstoff (Modetänzen, Gesangsformen, Stimmgattungen, Stimmfächern) wird nicht vergeblich sein; sinnvoller ist aber die Beschäftigung mit der Theaterwirklichkeit. Trotz aller Vorzüge von Videos ist der Besuch einer realen Theateraufführung vorzuziehen. Je nach örtlichen Gegebenheiten kann auch der Kontakt zur Intendanz von Nutzen sein: Besuch einer Probe, Besichtigung der Bühne mitsamt deren Innenleben, Interview mit Sängern oder gar das Anhören eines Gesangstückes, dargeboten durch leibhaftige Opernsänger.

Mit solchem Hintergrundwissen sind auch kleinere Projekte möglich, z.B. das Einstudieren einer Szene mit den Schülern, sei es mit Originalmusik vom Tonträger, mit eigener Bearbeitung oder mit selbst arrangierten musikalischen Begleitungen. Vom Aufführen eines gesamten Werkes würde ich jedoch abraten. Der Aufwand würde in keinem Verhältnis zu dem vielleicht doch etwas dürftigen Ergebnis stehen. Ohne die Hilfe von Fachkräften (Künstlern, Kunsterziehern, Dramaturgen, Tänzern, Sängern, Kostümbildnern) gibt es


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