- 369 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Walter Reckziegel

Operette und Schule –
vereinbar oder unvereinbar?

1 Grundsätzliche Überlegungen

Musiktheater ist seit jeher eine Gattung, in welcher Musik zwar nicht die Hauptsache, aber ein wesentlicher und nicht verzichtbarer Teil ist. Und es hat schon immer die Pädagogen gereizt, so etwas selbst, d.h. im Rahmen und mit den Mitteln des Schulbetriebes aufzuführen. Das offensichtliche Unvermögen, es den professionellen Akteuren gleichzutun und erfolgreiche Stücke nachzuspielen, hat dazu geführt, daß eigene, vereinfachte, schulgemäße Produktionen geschaffen wurden: die Schuloper bei Hroswitha von Gandersheim, die Kinderoper bei Johann Adam Hiller, Singspiele und Kantaten aller Art. Als Sujets dienten Märchen, geistliche Stoffe und andere geeignete Texte. Die Eignung orientierte sich am zeitgemäßen Sittenkodex und der Spaß hielt sich in angemessenen Grenzen. Das Bearbeiten von Opern, wobei Mozart noch am meisten reizen dürfte, und die zwangsläufig laienhafte Darstellung durch Schüler, hat in der breiteren Öffentlichkeit wenig Chancen auf Erfolg und wirkt eher parodistisch und komisch. Es bleibt zumindest problematisch und sollte sich auf Ausschnitte, einzelne vereinfachte Lied- und Chorpartien oder gesprochene Szenen beschränken.

Vor dem Komponieren von Bühnenmusik für klassische Werke kann nur gewarnt werden. Dasselbe gilt für Arrangements bestehender großer Werke. Anstatt sich durch unfreiwillige Komik lächerlich zu machen, ergreifen manche die Flucht nach vorne und bearbeiten lieber Possen oder Komödien. Freilich ist es einfacher, Sprechstücke zu spielen und sich unter Umständen mit kurzen musikalischen Einlagen, Sololiedern oder Songs zu begnügen. Nestroy ist ein dankbares Opfer solcher Bemühungen. Dagegen hört man selten oder gar nichts von Schuloperetten. Zeitgemäßer ist es, ein Musical zu produzieren und sich die Motivation der Schüler für Rockmusik zunutze zu machen.

Zimmerschied meint, es sei zu spät, das Musiktheater erst im 8. oder 9. Schuljahr – etwa mit dem im Lehrplan genannten Freischütz – einzuführen. In diesem Alter hätten sich vielfach schon Vorurteile verfestigt. Für die 16-jährigen sei die Operette kein Teil der gehobenen Musik. Vielmehr gäbe


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