- 360 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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mechanischen Apparat so viel Aufmerksamkeit schenkte: einerseits ehrlich Freude – andererseits konventionelle Scham. [...] « (Zoumer 1927, 144)

Dem schlechten Gewissen eines Schulmusikers, der es gelernt hatte, jedes Musikbeispiel mehr oder weniger treffend auf dem Klavier oder singend darzustellen, stand die »ehrliche Freude« über die neuen schulpraktischen Möglichkeiten gegenüber. Diese steigerte sich nach der Einführung der elektrischen (Aufnahme-) Verstärkung zu einem »offenen Bekenntnis«: »[...] und ich ruhte nicht eher, bis ich meiner Schule einen ›Elektrola‹ mit entsprechenden Platten verschaffen konnte.« (ca. 1926) Indes wurde der verbleibende Rest des schlechten Gewissens positiv gewendet:

»Nur eine Gefahr hat der Apparat, er kann leicht Ersatz für den Vortrag des Lehrers bilden, und hat manchmal das vor dem Lehrer voraus, daß er ungeteilte Aufmerksamkeit findet. Er ist also Konkurrenz und insofern wiederum ein Ansporn zu intensivster Tätigkeit des Lehrers, was aber wieder dem gesamten Unterricht zugute kommt. [...]« (Zoumer 1927, 145)

Auf theoretischer Ebene verschwanden die Warnungen allerdings noch längst nicht. Das Argumentationsmuster – hier aus dem Umfeld des »Finkensteiner Bundes« – veränderte sich dabei kaum: »Die Atmosphäre der technischen Möglichkeiten, der bindungslosen Bequemlichkeiten ist ein Symbol der Wurzellosigkeit unserer Zeit; es gilt, sich dessen eindringlich bewußt zu werden. [...]« (Baum 1929 in: Die deutsche Jugendmusikbewegung 1980, 509 (Vgl. auch Heise 1995, 291ff., bes. Stationen IV und V))

Der Begriff des Technischen läßt sich nach dem bisher Gesagten drei sich überlappenden Bedeutungskreisen zuordnen:

a) ›Technik‹ als Zusammenfassung aller lern- und trainierbaren Fertigkeiten beim Umgang mit Musik. (Instrumental-/Vokaltechnik, Kompositionstechnik usw.) In diesem Sinne ist der Begriff in der Instrumentaldidaktik auch heute noch üblich. Interessant ist der begriffliche Zusammenhang von ›Technik‹ und ›Arbeit‹: So wird z.B. das Aneignen von Spieltechniken auf dem Klavier häufig als »Klavier arbeiten« bezeichnet.

b) ›Technik‹ als Sammelbezeichnung für technische Geräte, die der Reproduktion (und später auch Produktion) von Musik dienen. »Musiktechnik« beschrieb zunächst nur technische Arbeitsmittel (»Technische Mittler«). Erst seit den 1970er Jahren gab es Tendenzen, Musiktechnik auch zum Unterrichtsgegenstand zu machen (vgl. Heise 1985, 239ff.).

c) Im Bereich der Schule galten als ›technische‹ Fächer solche, deren Inhalte sich (noch) nicht aus einer wissenschaftlichen Systematik herleiten ließen und zu deren Vermittlung Übungs- oder Drillstrategien verwendet wurden. Bemerkenswert ist, daß sich die ständige Methodensuche des 19.


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