Die von seinen Schülern
so geschätzte Ausstrahlung Blachers als Komponist und Pädagoge
versuchte der Literaturwissenschaftler Hans Mayer41
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Hans Mayer, Der Präsident, in:
Akademie der Künste (Hrsg.), Boris Blacher zum Gedenken (= Akademie-Anzeiger
Nr. 2, Januar 1985), 3. |
zu erklären, indem er dessen ästhetische Haltung dialektisch zu
seiner fruchtbaren Lehrtätigkeit in Beziehung setzte und damit gleichsam
eine gesellschaftspolitische Dimension von Blachers Schaffen offenlegte:
»Er war das Gegenteil eines ästhetischen Prinzipienreiters
und Fundamentalisten. Darum wohl
ist er so erfolgreich gewesen als
Lehrer der jungen Tonsetzer. Er war neugierig auf alles Spielen; seine
Vorstellung von Kunst, das zeigt ein Blick
auf Blachers Schaffen, ist determiniert
vom Sammelbegriff der ›Performances‹, was mit unserem
Wort ›Vorstellung‹ eher verkannt als übersetzt wird. Wahrscheinlich
hat dieser aristokratische Künstler in
einer Welt des Kleinbürgertums alle
Kunst als ein Fest verstanden, wobei auch Feste der Anklage
möglich waren.«
Mit dem Begriff »Anklage«
tangierte Mayer gleichsam das politische Bewußtsein Blachers, das auch
den Kompositionsunterricht von Einems – wie aufgezeigt – stetig begleitet
hat. Daß das gemeinsame Hören verbotener ausländischer Kriegsnachrichten
ein selbstverständliches Ritual jeder Unterrichtsstunde war, mag nur
ein Indiz für das große Interesse Blachers am tagespolitischen
Geschehen sein, auf das er von Einem aufmerksam machte. Im Gegensatz zu jenen
Schülern, die ab 1948 aus Blachers Kompositionsklasse an der Berliner
Musikhochschule hervorgehen sollten (Reimann, Burt, Yun, Klebe u.a.), erhielt
Gottfried von Einem seine Ausbildung als Privatschüler Blachers während
des Zweiten Weltkrieges. Nicht zu übersehen ist daher, daß zweifellos
der Nationalsozialismus als politisches Ferment auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis
eingewirkt und zumindest ein Gefühl der Solidarität im Sinne einer
gemeinsamen Aversion gegen das Verbrecherische der Nazibarbarei hervorgerufen
hat – ein politisch-zeitgeschichtlich bedingter Umstand also, aus dem neben
musikalischen Anschauungen die Basis für eine langjährige Freundschaft
erwachsen konnte. Der für die Beziehung von Einem-Blacher so signifikante
pädagogische Eros gründet somit nicht ausschließlich auf
einer gegenseitigen musikalisch-erzieherischen Wertschätzung von Schüler
und Lehrer, sondern zum Großteil auch auf persönlich geprägte
und gemeinsam durchlebte Erfahrungen, die im Zuge politischer Repression
zwei Menschen näher zusammengeführt und bis zum Tode Blachers im
Jahr 1975 eng verbunden hat.
Auch Brunhilde Sonntag
verband mit ihrem Lehrer Gottfried von Einem bis zu seinem Tod 1996 eine
Freundschaft, die sich in stets regem Austausch
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