- 348 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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5 Die Lithographie

So leicht die Pewter-Platten auch zu bearbeiten waren, so schnell ließ ihre Druckqualität mit zunehmender Auflage nach, denn durch das ständige Zusammendrücken in der Druckpresse flachten die eingravierten Bereiche der Platten allmählich ab. Spätestens nach ungefähr 300 Abzügen mußten die abgenutzten Stellen, darunter überwiegend Notenköpfe, nachgestochen werden (vgl. Duggan und Beer, 444–445). Abhilfe schaffte die 1796 von Alois Senefelder ersonnene Lithographie . Senefelder unternahm schon früh die unterschiedlichsten Versuche, Kalksteintafeln als Druckplatten zu verwenden. Die ersten Schritte in diese Richtung gelangen ihm durch Einritzen der Schrift in den Stein, um die tieferliegenden Bereich anschließend wie beim Kupferstich mit Druckfarbe zu füllen und abzudrucken. Eine wirkliche Neuerung in der Drucktechnik entdeckte er durch einen Zufall, gepaart mit folgenreicher Intuition:

»Ich hatte eben eine Steinplatte sauber abgeschliffen, um sie nachher wieder mit Aetzgrund zu überziehen und darauf meine Uebungen im Verkehrtschreiben fortzusetzen, als meine Mutter von mir einen Wäschezettel geschrieben haben wollte. Die Wäscherin wartete schon auf die Wäsche, es fand sich aber nicht gleich ein Stückchen Papier bey der Hand; [...] so besann ich mich nicht lange, und schrieb den Waschzettel einstweilen [...] auf die abgeschliffene Steinplatte hin, um ihn, wenn frisches Papier geholt seyn würde, wieder abzuschreiben. Als ich nachher diese Schrift vom Stein wieder abwischen wollte, kam mir auf einmal der Gedanke, was denn aus so einer mit dieser Wachstinte auf Stein geschriebenen Schrift werden würde, wenn ich die Platte mit Scheidewasser ätze, und ob sie sich nicht vielleicht nach der Art der Buchdrucker-Lettern oder Holzschnitte einschwärzen und abdrucken ließe.«  (Senefelder, 11–12)

Tatsächlich zeichnete sich nach der Ätzung das Relief der Schrift in Form wenige Millimeter umfassender Erhebungen von dem unbeschriebenen Bereich ab und konnte anschließend leicht mit Druckfarbe überzogen werden.

Zum eigentlichen Flachdruckverfahren auf chemischer Basis, bei dem druckende und nicht-druckende Bereiche auf einer Höhe liegen, gelangte er einige Zeit später. Senefelder entdeckte, daß Kalkschiefer aus Solenhofen ein »heftiges Bestreben [zeigt,] sich mit Fett zu verbinden« (Senefelder, 37). Ein solcher, mit fettiger Farbe beschriebener Kalkstein, dessen freigelassenen Bereiche anschließend durch eine Ätzung und Behandlung mit Gummiwasser die lipophile Eigenschaft einbüßten, konnte nun beliebig oft mit öliger Druckfarbe bestrichen werden. Diese blieb nur an den fettigen Stellen haften und wurde von der wässerigen Umgebung abgestoßen.


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