- 347 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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im 18. Jahrhundert jedoch zunehmend an seine Grenzen stieß, blieb der Kupferstich neben den Abschreibern die einzige akzeptable Alternative.

Der endgültige Durchbruch gelang dem Engländer John Walsh um 1730 mit einer Variante des Notenstichs, die bis ins Computerzeitalter die einzige Technik zum Herstellen professioneller Partituren beliebiger Komplexität darstellte. Statt die fixen Bestandteile der Notenschrift, zum Beispiel Schlüssel, Notenköpfe und Fähnchen, immer wieder neu in die Platte zu stechen, ließ er für jedes Zeichen typenähnliche Stahlstempel anfertigen und konnte die Symbole damit unter Zuhilfenahme eines Hammers in die Platte schlagen. Lediglich die flexiblen Elemente mußten jetzt noch gestochen werden. Dadurch reduzierte sich der Arbeitsaufwand zur Herstellung einer Druckseite bei gleichzeitiger Qualitätszunahme erheblich, zumal mehrere Stecher parallel an verschiedenen Platten einer Komposition arbeiten konnten, ohne das gleichmäßige Notenbild aufgrund verschiedener ›persönliche Handschriften‹ übermäßig zu stören.

Walsh konnte seine Stempeltechnik allerdings nur auf Grundlage einer zehn Jahre zuvor eingeführten Neuerung im Notenstich realisieren. Im Jahre 1720 bearbeitete der zu seiner Zeit beste Notenstecher Londons, John Cluer, erstmals neben Kupferplatten auch solche aus Pewter , einer Legierung aus Blei, Zinn und Antimon. Dieses Material war weicher als Kupfer und ermöglichte Cluer beispielsweise, Bögen in einem Zug ohne weitere Hilfsmittel zu stechen. Die Bogendicke konnte er dabei durch die Intensität, mit welcher der Stichel in die Platte gedrückt wurde, beeinflussen. Aufgrund der überzeugenden Resultate ließen viele Komponisten, darunter auch Händel, ihre Noten bei Cluer stechen, der mit den Namen seiner angesehenen Auftraggeber wiederum aggressiv Werbung betrieb (vgl. Chrysander, 244). Obwohl er die Pewter-Platten mit gutem Erfolg einsetzte, erkannte Cluer nicht das gesamte Potential des neuen Materials und so gravierten er und seine Mitarbeiter bis zu seinem Tod sämtliche Zeichen manuell in die Platten. Erst John Walsh teilte den Arbeitsvorgang in Stempeln und Stechen auf. Damit revolutionierte er den Notenstich derart, daß er und nach ihm sein Sohn zu den größten Musikverlegern des 18. Jahrhunderts aufstiegen. Die Verbindung von typenähnlichen Stempeln und der zusätzlichen Möglichkeit, beliebige Zeichen an beliebigen Positionen auf eine Druckplatte bringen zu können, ermöglichte es endlich, auch komplexe Notentexte auf effiziente Weise in ›gestochen scharfer‹ Qualität herzustellen.


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