- 346 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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vorgefertigter Typen. Beispielsweise müssen Balken, Bögen und Crescendogabeln sehr variabel in Abhängigkeit von der vorliegenden Notenkonstellation positioniert werden können, um ein harmonisches Druckbild zu gewährleisten. Mit fixen Typen standen dem Setzer jedoch nur bestimmte, ausgewählte Varianten dieser Elemente zur Verfügung, die ihn in vielen Fällen zu Kompromissen zwischen seiner ästhetischen Vorstellung und dem technisch Machbaren zwangen. So verwundert es nicht, daß Breitkopfs Typendruck trotz der guten qualitativen Druckergebnisse mit zunehmender Komplexität der Kompositionen schnell an seine Grenzen stieß und er aufwendige Partituren durch Abschreiber vervielfältigen ließ. Tatsächlich verkaufte er in den Folgejahren mehr geschriebene als mit seiner Erfindung gedruckte Noten (vgl. Chrysander, 199). Die Möglichkeiten des Typendrucks waren schließlich ausgereizt und andere Verfahren mußten herangezogen werden, um mit den notenschriftlichen Anforderungen der Kompositionen schrittzuhalten.

4 Der Notenstich

Die richtungsweisende Alternative zum Typendruck fanden die ersten Musikverleger Mitte des 16. Jahrhunderts in einer damals bereits seit rund neunzig Jahren bekannten Technik bildender Künstler. Der Kupferstich, bei dem die zu druckenden Motive mit einem Messerstichel in eine Kupferplatte geritzt wurden, ermöglichte dem geübten Handwerker die Herstellung nahezu beliebig gestalteter Druckvorlagen – eine ideale Voraussetzung für flexible Notenbilder. Im Gegensatz zum Holztafeldruck müssen beim Kupferstich die Druckbereiche also nicht freigelegt sondern lediglich in die Platte graviert werden. Bei diesem Tiefdruckverfahren wird vor dem eigentlichen Druckvorgang mit einer Walze geschmeidige Druckfarbe auf die Platte gerollt und dabei in die Vertiefungen gedrückt. Nach Reinigung der Plattenoberfläche kann die Farbe und damit das gestochene Bild auf ein angefeuchtetes Blatt Papier übertragen werden.

Simone Verovio war der erste Musikverleger, der den Kupferstich zwischen 1586 und 1608 nach vereinzelten Ausgaben niederländischer Stecher »planmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg für die Vervielfältigung musikalischer Werke einsetzte« (Duggan und Beer, 445). Auch nachdem er schnell Nachahmer im In- und Ausland fand, konnte der Kupferstich den Typendruck nicht verdrängen. Dies mag auf die höheren handwerklichen und künstlerischen Anforderungen an die Stecher zurückzuführen sein, denn im Gegensatz zum Typendruck mußte jede Note manuell mit möglichst gleichbleibendem Aussehen in die Platte gestochen werden. Als der Typendruck


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