- 342 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Peter Schöffer entstand. Notenlinien und Notensymbole wurden dabei noch nach alter Manier von Hand in freigelassene Bereiche des gedruckten Textes eingezeichnet. Andere Drucker dieser Zeit übernahmen dieses Prinzip zunächst und gingen später dazu über, in einem zweiten Arbeitsgang ausschließlich Notenlinien in die Freiräume zu drucken, so daß die überwiegend geistlichen Käufer ihre regional unterschiedlichen Melodien liturgischer Gesänge selbst eintragen konnten und die Drucker von den Schwierigkeiten sowie hohen Kosten des Notendrucks befreit waren (vgl. Hübel, 5).

Aber auch die umgekehrte Situation ist in den Musikdrucken des fünfzehnten Jahrhunderts anzutreffen: Konrad Fyner aus Eßlingen gehörte zu den ersten Druckern der Inkunabelzeit, welche Choralnoten mit beweglichen Metalltypen herstellten. Allerdings fehlen in seinen frühen Drucken, wie in dem 1473 angefertigten theologischen Werk Collectorium super Magnificat von Jean Charlier de Gerson, die Notenlinien. Zugegebenermaßen werden die Leser dem Drucker diese Nachlässigkeit leicht verziehen haben, da das gesamte Buch insgesamt nur fünf Noten in absteigender Folge enthält. Dennoch erlaubt diese Praxis Rückschlüsse auf die Bedeutung der notenschriftlichen Bestandteile. Laut Gamble wurden die Notenlinien als nicht essentiell zur Notenschrift zählende Komponenten erachtet, so daß sie durchaus vernachlässigbar waren (vgl. Gamble, 22), obwohl das Lesen solcher Noten sicher alles andere als ein einfacher Vorgang gewesen sein dürfte. Wahrscheinlich sollten die späteren Eigentümer der Bücher die Linien, ähnlich wie die Noten in den erwähnten Liturgiebänden, manuell nachtragen. Daß diese Variante des Notendrucks keine exotische Ausnahme darstellt, zeigt unter anderem die siebzehn Jahre später durch Theodor von Würzburg in Venedig hergestellte Erstausgabe der Brevis Grammatica von Franciscus Niger. Hierbei handelt es sich um den ersten Druck mit gegossenen Mensuralnoten, welcher ebenfalls vollständig auf Notenlinien verzichtet.

Anhand dieser Beispiele wird das Problem der synchronen Ausrichtung von Linien und Noten offenkundig. Die frühen Drucker wußten sich zunächst nur durch Vereinfachungen der vorliegenden Notengraphik zu helfen. Obwohl es dem Ingolstädter Ulrich Hahn 1476 gelang, mittels eines zweischrittigen Typendrucks schwarze römische Choralnoten auf einem roten Fünfliniensystem herzustellen, blieb diese Technik eine aufwendige, nur von wenigen Spezialisten beherrschte Kunst. Neben dem Typendruck kamen deshalb noch weitere Verfahren zum Einsatz, wie die schon vom Textdruck bekannte Xylographie. Diese befreite den Notensetzer zwar von der schwierigen Aufgabe, Linien und Noten nacheinander paßgenau übereinander zu drucken, stellte ihn aber gleichzeitig vor neue Hindernisse. Das Herausschnitzen sämtlicher druckender Bereiche, einschließlich Linien, Noten und ggf. Gesangstext, war eine mühevolle, mit Sorgfalt auszuführende Arbeit. Dabei entstandene


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