- 341 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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konnten, lieferte das Werkzeug zur Anfertigung unterschiedlichster Bücher in hoher Auflage und Qualität. Zwar sagten einige wenige Kritiker, wie der Sponheimer Abt Trithemius, den Büchern ein nur kurzes Leben voraus, der Großteil seiner Zeitgenossen bestritt jedoch weder die herausragenden Möglichkeiten der neuen Technik, noch wurde sie von ihm bekämpft. So begann mit Gutenberg die erste Medienrevolution.

Während sich das Gutenbergsche Verfahren in den Folgejahren auf Seiten des Textdrucks unangefochten als diesbezüglich beste Vervielfältigungsmethode behauptete, suchten Komponisten und Musiker verzweifelt nach einer vergleichbaren Technik zur Verbreitung von Notenmaterial, denn unglücklicherweise ließ sich das Prinzip der beweglichen Typen nicht ohne weiteres auf die Notenschrift übertragen und galt für diese folglich als nicht existent. Den Grund dafür beschreibt Friedrich Chrysander wie folgt:

»Der Druck mit beweglichen Lettern wurde erfunden für die Wiedergabe der Sprache, nicht für die der Musik. [...] Die Notenschrift, welche in den ersten christlichen Jahrhunderten in Italien entstand und vom Mittelalter bis auf unsere Zeit sich ausbildete, nimmt eine Mittelstellung zwischen Schrift und Bild; durch ihre feststehenden Zeichen für die Zeitwerthe der Töne ist sie Schrift, durch ihre anschauliche Darstellung der Tonhöhe und der Verknüpfung der verschiedenen Stimmen ist sie Zeichnung. [...] Die ganze Schwierigkeit liegt in einem einzigen Punkte, in der Durchschneidung horizontaler und verticaler Linien.«  (Chrysander, Sp. 162–163)

Auch wenn weder Choral- noch Mensuralnotation über so flexible Bestandteile wie Balken und Bögen verfügten, bereitete allein die Überlagerung von roten Notenlinien und schwarzen Notensymbolen sowie ihre variable Plazierung in zwei Dimensionen ernsthafte Schwierigkeiten. Die Zweifarbigkeit, welche sich an den handschriftlichen Vorbildern orientierte, kam zwar schon beim Druck Gutenbergs 42zeiliger Bibel zum Einsatz (vgl. Hanebutt-Benz, 184), erschwerte den primär monochrom angelegten Druck aber zusätzlich. Darüber hinaus erforderte die Vervielfältigung von Chormusik den Noten unterlegten Liedtext. Anders als beim Buchdruck war es dabei nicht ausreichend, die Buchstaben Zeile für Zeile sequentiell nebeneinander anzuordnen, sondern die Setzer mußten sie auf sinnvolle Weise zusammen mit den Notenzeichen ausrichten.

Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum der Musikdruck erst rund 20 Jahre nach Gutenbergs Erfindung einen vergleichbaren technischen und qualitativen Stand erreichte und zunächst fast nur Choralnoten gedruckt wurden, welche im Vergleich zur mensural notierten Musik einfacher herzustellen waren. Die ersten Notenausschnitte in gedruckten Büchern finden sich im Mainzer Psalter, der 1457 in der Offizin von Johann Fust und Gutenberg-Schüler


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