- 33 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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»Wenn hier die Forderung erhoben wird, die Struktur des handwerklich sauber gestalteten Musikwerks möge dem Hörer erkennbar werden, so ist damit keineswegs einer ausschließlich den Gesetzen der Tonalität entsprechenden Komponierweise das Wort geredet. Ich selbst bediene mich zwar durchweg des tonalen Konzepts, doch würde ich von meinen Schülern keineswegs verlangen, daß sie sich meiner Auffassung anschließen. Zu fordern bleibt jedoch, daß jeder, der eine bestimmte Handwerksregel der musikalischen Gestaltung anwendet, auch im Stande sei, die Gründe hierfür anzugeben.«

Dieses pädagogische Anliegen von Einems wertete der Musiksoziologe Kurt Blaukopf31

31 Kurt Blaukopf, Komponieren als soziales Engagement, in: Hopf/Sonntag 1989, a.a.O., 15.
gar als eine Facette »sozialen Engagements«:

»Engagement bekundet sich keineswegs nur in jenen oft spektakulären Manifestationen, die des kräftigen Echos in den Medien sicher sind, sondern auch auf stillere Art. Dazu gehört die Weitergabe der kompositorischen Erfahrung, die pädagogische Tätigkeit. Sie darf nichts von Fanatismus haben. Der Lehrer, der angehende Komponisten unterweisen will, bedarf der Offenheit und Toleranz. Gottfried von Einem verlangt von seinen Schülern keineswegs, daß sie sich seinen Verfahrensweisen anschließen. Sein pädagogisches Engagement schließt autoritäre Didaktik aus.«

Die zutage tretende Maxime von Einems, daß die Selbständigkeit eines Schülers als Ziel des Unterrichts das pädagogisch verantwortungsbewußte Handeln eines Kompositionslehrers leiten sollte, hatte sich für von Einem mit Beendigung der eigenen Studien bei Blacher 1943 durch ein tiefgreifendes Erlebnis eingeprägt, das für den Schüler32

32 Gottfried [von] Einem, Mein Lehrer Boris Blacher, a.a.O., 148.
paradigmatisch die Intention des Lehrers offenbarte: »Blacher schnitt«, so von Einem, »für mich selbst damals schmerzlich und gewaltsam das Band ab, das er in zwei Jahren geknüpft hatte«, und zwar so, wie von Einem es in einer typischen, von ihm vielfach repetierten und daher als bedeutsam erachteten Anekdote geschildert hat, die einen Einblick in die konkrete Unterrichtspraxis gewährt und gleichsam den oft humorvollen persönlichen Umgang von Schüler und Lehrer veranschaulicht:

»Blacher hatte einen befreundeten Arzt, der in einem Krankenhaus [der Berliner Charité] arbeitete, und da gab es damals noch Embryonen, die eingelegt werden mußten. Jedenfalls war der reine Alkohol


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