- 32 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Dieser Erwartungshaltung schien der junge Gottfried von Einem zu entsprechen, als er mit dem Kompositionsstudium bei Blacher begann, denn offenbar war der Opernvolontär derart begabt, daß er nach anfänglichen Übungen innerhalb kurzer Zeit die entscheidenden handwerklichen Fähigkeiten besaß und über einen ausgeprägten Personalstil verfügte, wie Blacher in einem Gespräch 26

26 Zit. nach Dominik Hartmann, Gottfried von Einem (= Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts, Bd. 11), Wien 1967, 6.
mitgeteilt hat: »Einem kam zu mir 1941 als völliger Anfänger und hatte in zwei Jahren das kompositorische Rüstzeug erlernt. Das Merkwürdige war, daß sein Personalstil selbst in den läppischsten Harmonielehreaufgaben zu erkennen war. Er brauchte keinen Weg zu finden. Er war eigentlich vor dem Studium schon fertig.«

Mag die Einschätzung Blachers, daß sein Schüler zu Beginn des Kompositionsunterrichts ein »völliger Anfänger« gewesen sei angesichts der bereits vor 1941 entstandenen unveröffentlichten Werke von Einems übertrieben erscheinen,27

27 Vgl. dazu auch Stephan, a.a.O., 29f.
so wird jedoch sein pädagogisches Anliegen, »jedem Schüler seinen eigenen Weg« zu zeigen,28
28 Ursula Stürzbecher, Werkstattgespräche mit Komponisten, Köln 1971, 11.
von Gottfried von Einem aufgrund eigener Unterrichtserfahrungen bestätigt und als vorbildlich gerühmt:

»Blacher besitzt die seltene Fähigkeit zu spüren, wohin sich die Begabung eines Schülers entwickeln möchte und ihn in dieser Richtung zu fördern: den einen zum Komponisten, den anderen zum Lehrer, einen dritten vielleicht zum Arrangeur von Gebrauchsmusik. Seine eigene Klarheit und Lockerheit wirkt anregend, seine Kritik ist scharf, ohne jemals menschlich zu verletzen oder zu entmutigen. [...] Blachers Unterricht war von vornherein auf praktische Ziele gerichtet. Er führte mich in die Kompositionstechnik ebenso der Filmmusik wie der Schauspielmusik und der Hörspielmusik ein; auf all diesen Gebieten besitzt er große praktische Erfahrung. Die Meisterwerke der Tonkunst wurden bei diesem Lernen zu lebendigen Vorbildern, nicht zum Kinderschreck für den Anfänger.«  (Gottfried [von] Einem, Mein Lehrer Boris Blacher , a.a.O., 148f.)

Von Einem und Blacher teilten die Meinung, daß man Komposition ebenso wenig wie Malerei und Dichtung lernen könne, sondern eigentlich nur die dazu notwendigen handwerklichen Voraussetzungen, wie die musikalische »Grammatik und Syntaxis« sowie Instrumentation und Kontrapunkt.29

29 Stürzbecher, a.a.O., 11.
Ebenso auf die Freiheit seiner Schüler bedacht wie auf deren Überzeugung und Begründung der Wahl bestimmter Kompositionstechniken beharrend, hatte von Einem am 25. März 1968 auch in einem Rundfunkvortrag30
30 Vom Handwerk des Komponisten – Gottfried von Einem in eigener Sache, Vortrag für den Bayrischen Rundfunk, gesendet am 25. März 1968 (Tonbandmitschnitt, Archiv des Bayerischen Rundfunks, München)
erklärt:

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