Dieser Erwartungshaltung
schien der junge Gottfried von Einem zu entsprechen, als er mit dem Kompositionsstudium
bei Blacher begann, denn offenbar war der Opernvolontär derart begabt,
daß er nach anfänglichen Übungen innerhalb kurzer Zeit die
entscheidenden handwerklichen Fähigkeiten besaß und über
einen ausgeprägten Personalstil verfügte, wie Blacher in einem Gespräch
26
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Zit. nach Dominik Hartmann, Gottfried von
Einem (= Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts,
Bd. 11), Wien 1967, 6. |
mitgeteilt hat: »Einem kam zu mir 1941 als völliger Anfänger
und hatte in zwei Jahren das kompositorische Rüstzeug erlernt. Das Merkwürdige
war, daß sein Personalstil selbst in den läppischsten Harmonielehreaufgaben
zu erkennen war. Er brauchte keinen Weg zu finden. Er war eigentlich vor
dem Studium schon fertig.«
Mag die Einschätzung
Blachers, daß sein Schüler zu Beginn des Kompositionsunterrichts
ein »völliger Anfänger« gewesen sei angesichts der bereits
vor 1941 entstandenen unveröffentlichten Werke von Einems übertrieben
erscheinen,27
27
Vgl. dazu auch Stephan, a.a.O., 29f. |
so wird jedoch sein pädagogisches Anliegen, »jedem Schüler
seinen eigenen Weg« zu zeigen,28
28
Ursula Stürzbecher, Werkstattgespräche
mit Komponisten, Köln 1971, 11. |
von Gottfried von Einem aufgrund eigener Unterrichtserfahrungen bestätigt
und als vorbildlich gerühmt:
»Blacher besitzt die seltene Fähigkeit zu spüren,
wohin sich die Begabung eines Schülers
entwickeln möchte und ihn in dieser Richtung
zu fördern: den einen zum Komponisten, den anderen zum Lehrer,
einen dritten vielleicht zum Arrangeur
von Gebrauchsmusik. Seine eigene
Klarheit und Lockerheit wirkt anregend, seine Kritik ist
scharf, ohne jemals menschlich zu verletzen oder
zu entmutigen. [...] Blachers Unterricht
war von vornherein auf praktische Ziele gerichtet.
Er führte mich in die Kompositionstechnik ebenso der Filmmusik
wie der Schauspielmusik und der Hörspielmusik
ein; auf all diesen Gebieten besitzt
er große praktische Erfahrung. Die Meisterwerke der
Tonkunst wurden bei diesem Lernen zu lebendigen Vorbildern, nicht
zum Kinderschreck für den Anfänger.«
(Gottfried [von] Einem, Mein
Lehrer Boris Blacher
, a.a.O., 148f.)
Von Einem und Blacher
teilten die Meinung, daß man Komposition ebenso wenig wie Malerei und
Dichtung lernen könne, sondern eigentlich nur die dazu notwendigen handwerklichen
Voraussetzungen, wie die musikalische »Grammatik und Syntaxis«
sowie Instrumentation und Kontrapunkt.29
29
Stürzbecher, a.a.O., 11. |
Ebenso auf die Freiheit seiner Schüler bedacht wie auf deren Überzeugung
und Begründung der Wahl bestimmter Kompositionstechniken beharrend,
hatte von Einem am 25. März 1968 auch in einem Rundfunkvortrag30
30
Vom Handwerk des Komponisten – Gottfried
von Einem in eigener Sache, Vortrag
für den Bayrischen Rundfunk, gesendet am 25. März 1968 (Tonbandmitschnitt,
Archiv des Bayerischen Rundfunks, München) |
erklärt:
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