- 31 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Schüler so geschätzten Finale die virtuose Beherrschung von Kontrapunkt und Fuge zusätzlich mit symphonischen Durchführungstechniken verbunden hat. Da Blacher die Fuge somit, wie Gervink22

22 Manuel Gervink, Die Symphonie in Deutschland und Österreich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ( = Kölner Beiträge zur Musikforschung, Bd. 140), Regensburg 1984, 189.
in seiner Analyse des Werks nachgewiesen hat, gewissermaßen »symphonisierte«, indem er zwei kompositorische Verfahrensweisen zum Zweck größerer Dichte miteinander verschränkte, kann in Anlehnung an Zofia Lissa von einer »Hybridisierung der Form« gesprochen werden.23
23 Stephan, in: Hopf/Sonntag, a.a.O., 37.

Die auf Ökonomie bzw. sparsame Verwendung des musikalischen Materials basierende strukturelle Dichte ist als ein signifikantes Merkmal von Blachers unpathetischer, betont rhythmischer Musik in der Literatur immer wieder mit dem, eigentlich auf die Werke Erik Saties gemünzten Begriff »style dépouillé« gefaßt worden. Verbunden mit orchestraler Transparenz beeindruckte diese auf Einfachheit und Konzentration zielende Ästhetik Blachers auch nachhaltig seinen Kompositionsschüler von Einem,24

24 Gottfried [von] Einem, Mein Lehrer Boris Blacher, in: Österreichische Musikzeitschrift 5. Jg. (1950), Heft 7/8, 149.
der dazu begeistert schrieb: »Blachers Partituren sind ein ästhetischer Genuß. Sein Orchesterklang ist farbig, ohne je dick zu wirken. Alle Konturen sind scharf gezeichnet. Blacher sagte mir oft: ›Instrumentieren Sie so, daß auch das letzte Provinzorchester Ihre Partitur realisieren kann.‹ Er pflegt oft Rimskij Korssakows Ausspruch zu zitieren, daß gute Instrumentation in guter Stimmführung bestünde.«

Hinter Blachers Auffassung, wonach der strenge Satz als »die beste Schule in der polyphonen Denkweise« keineswegs überholt sei, stand letztlich die Absicht, die »Entwicklung des Personalstils« seiner Schüler zu fördern.25

25 Boris Blacher, Einführung in den strengen Satz, Berlin 1953, 5.

Gemäß dieser Intention antwortete Blacher in einem Interview auf die Frage, ob er »ein guter oder kein guter Kompositionslehrer« geworden sei, mit folgender Selbsteinschätzung, in der auch seine Forderungen an den Schüler zu Tage treten:

»Ich denke ein guter, weil ich in manchen Dingen auch unsicher bin. Ich will auch keine Autorität sein. Wenn ein Schüler mit einem Stil kommt, der mir nicht ganz vertraut ist, dann lerne ich zuerst bei ihm – nur ich lerne schneller. Selbstverständlich muß man die traditionellen Dinge, auf die man manchmal mit Verachtung blickt, beherrschen. Sie sind sehr gesund und im Grunde so einfach – wer in einem halben Jahr das Komponieren im strengen Satz nicht lernt, soll das Komponieren gleich ganz sein lassen.«  (Lewinski, 216.)


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