- 30 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
  Erste Seite (2) Vorherige Seite (29)Nächste Seite (31) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

man aus den Erinnerungen von Einems die Namen und Werke jener Komponisten zusammen, denen sich Blacher und sein Schüler im Unterricht gewidmet haben, so dominierte neben dem barocken und klassisch-romantischen Repertoire die von den Nationalsozialisten verpönte Jazz-Musik sowie Werke von Schönberg, Strawinsky, Prokofieff, Hindemith, Bártok, Milhaud.

Die musikalischen Eindrücke des Unterrichts waren für den Schüler neuartig, da im bisherigen musikalischen Lebenslauf von Einems die genannten zeitgenössischen Komponisten, abgesehen von Hindemith, eine eher untergeordnete bis bedeutungslose Rolle gespielt hatten, denn, so erinnert sich Blacher18

18 Zit. nach Hartmut Lück, Herr Schnimpsti räsoniert, in: Neue Musikzeitung 20. Jg. (1971), Nr. 4, 3.
an sein erstes Zusammentreffen mit dem seinerzeit 23-jährigen von Einem: »In meinen Unterricht kam ein junger Mann, der hatte den Kopf voller Wagner.«

Der Unterricht Blachers dürfte somit sehr anregend gewesen sein, zumal die von der Romantik geprägte musikalische Vorstellungswelt von Einems samt Wagner-Begeisterung der aus den 20er Jahren resultierenden, entschieden unromantischen Ästhetik Blachers kraß gegenüberstand. Daß von Einem bei Blacher zudem Instrumentation nach Rimskij-Korssakows Anleitung Grundlagen der Orchestration arbeitete19,

19 Vgl. Rudolf Stephan, Über die Musik zur Zeit des jungen Gottfried von Einem. Gedanken zur Musik der vierziger Jahre, in: Helmuth Hopf/Brunhilde Sonntag (Hrsg.), Gottfried von Einem – Ein Komponist unseres Jahrhunderts, Münster 1989, 32.
zeigt deutlich, wie sehr Blacher, sicherlich aufgrund eigener Studienerfahrungen, es für Wert erachtete, seinem Schüler die russische Musiktheorie nahezubringen. Wie Rudolf Stephan aufgezeigt hat, lassen sich anhand Blachers 1953 publizierten musiktheoretischen Lehrwerk Einführung in den strengen Satz auch Bezüge zu Serge Tanejews »mobilem Kontrapunkt« vermuten sowie eine Nähe zu jenen Reformbestrebungen nachweisen, die sich auf das 1917 erschienene Buch Ernst Kurths Der lineare Kontrapunkt beriefen. 20
20 Ebd., 31f.
Als ein Akt der Befreiung aus den Fesseln klassisch-romantischer Schemata empfunden, stiftete die von Kurth am Beispiel Bachs hervorgehobene Bedeutung der melodischen Polyphonie, verstanden als energetisches Kraftfeld frei sich entfaltender Linien und der damit verbundenen Tonhöhenordnung (Verwendung von Kirchentonarten) für die seinerzeit junge Komponistengeneration (Hindemith, J. N. David, Fortner u.a.) einen sinnfälligen Zusammenhang von Alter und Neuer Musik.21
21 vgl. Rudolf Stephan, Die ästhetische Gegenwart der alten Musik, in: Funkkolleg Musikgeschichte (Studienbegleitbrief 1), Weinheim/Basel/Mainz 1987, 129.

Beispielhaft für diese Synthese aus Alt und Neu kann die von Gottfried so bewunderte Symphonie gelten, da der Komponist in dem von seinem


Erste Seite (2) Vorherige Seite (29)Nächste Seite (31) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 30 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft