sind sie in der menschlichen
Seele letztlich gleich, wenn sie das gemeinsame Ziel – die Erkenntnis – erreichen,
indem sie sich gegenseitig auf dem Weg dahin ergänzen (vgl. Kandinsky,
189–208), also genau das tun, was Oper, Drama und Ballett in seinen Augen
ausmachen. Insofern ist der Akkordeonist in Wilkins‘ Werk Interpret und Schauspieler
zugleich, der vor einem Bühnenbild mit seinem Instrument in einen nach
außen (durch Bewegung) sichtbaren Dialog tritt und eine Szene inszeniert.
So wie der farbige Ton bei Kandinsky eine eigenständige Bedeutung als
spezielle Bühnenmöglichkeit bekommt, so geschieht dies hier mit
dem Akkordeon als Instrumentaltheater, das besonders durch Kagel bekannt
ist. Bei Wilkins‘ Werk spielt allerdings die Verhinderung des musikalischen
Theaters keine Rolle, da das Stück auch nicht-szenisch aufgeführt
werden kann. Insofern geht Kagel in seinen Absichten weiter.
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Exkurs: Werke mit Akkordeon von Brunhilde Sonntag. Versuch einer Analyse
und Deutung
Abschließend soll hier nun einmal der Blick auf Werke Brunhilde Sonntags
gerichtet werden, die das Akkordeon integrieren. So schrieb sie 1998 eine
Fassung des Friedensliedes Shalom für
S, A, Akk und Orgel (ursprünglich für S, A, T, B, Klar, Vc und
Org), die wenige Wochen später bei einem Friedenskonzert von
Europa Cantans in Straßburg uraufgeführt wurde. Diese Besetzung
ist bisher einzigartig und damit eine Bereicherung für die Akkordeonliteratur,
zumal es schon allein für die Kombination Akkordeon und Orgel keine
Originalliteratur gibt. Die Bereicherung besteht aber auch im Ansinnen des
Stückes, das zwar nicht direkt kirchlich ist, mit dem aber das christliche
Selbstverständnis der Komponistin deutlich wird, die sich in ihren Werken
immer wieder für die Erhaltung bzw. die Schaffung des Friedens einsetzt.
Der gleiche Gedanke wird auch in der Anfang 2000 fertiggestellten Komposition
Herr, wir rufen alle Dich für S, A, Akk, Sax und Git – einer ebenfalls
außergewöhnlichen Instrumentenkombination (allein schon durch
Akk und Sax) – aufgegriffen und gesteigert. Brunhilde Sonntag vertont hier
Gedichte von Dowid Sfard und Hinde Nejman sowie Gebete von E.M.S.-G.. Die
Gedichte, denen jeweils ein Gebet folgt, geben sehr sensibel und nachdrücklich
Gedanken bzw. Gefühle bezüglich der Ereignisse im ›Dritten Reich‹
wider. (Ohne an dieser Stelle eine detaillierte Gedichtanalyse folgen lassen
zu wollen, soll hier ein wenig auf den Inhalt und die Zusammenstellung von
Gedichten und Gebeten eingegangen werden, um sich dem theologischen Ansinnen
der Komponistin zu nähern.) So steht zu Beginn (
Wie können die Vögel)
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