- 303 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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sind sie in der menschlichen Seele letztlich gleich, wenn sie das gemeinsame Ziel – die Erkenntnis – erreichen, indem sie sich gegenseitig auf dem Weg dahin ergänzen (vgl. Kandinsky, 189–208), also genau das tun, was Oper, Drama und Ballett in seinen Augen ausmachen. Insofern ist der Akkordeonist in Wilkins‘ Werk Interpret und Schauspieler zugleich, der vor einem Bühnenbild mit seinem Instrument in einen nach außen (durch Bewegung) sichtbaren Dialog tritt und eine Szene inszeniert. So wie der farbige Ton bei Kandinsky eine eigenständige Bedeutung als spezielle Bühnenmöglichkeit bekommt, so geschieht dies hier mit dem Akkordeon als Instrumentaltheater, das besonders durch Kagel bekannt ist. Bei Wilkins‘ Werk spielt allerdings die Verhinderung des musikalischen Theaters keine Rolle, da das Stück auch nicht-szenisch aufgeführt werden kann. Insofern geht Kagel in seinen Absichten weiter.

4 Exkurs: Werke mit Akkordeon von Brunhilde Sonntag. Versuch einer Analyse und Deutung

Abschließend soll hier nun einmal der Blick auf Werke Brunhilde Sonntags gerichtet werden, die das Akkordeon integrieren. So schrieb sie 1998 eine Fassung des Friedensliedes Shalom für S, A, Akk und Orgel (ursprünglich für S, A, T, B, Klar, Vc und Org), die wenige Wochen später bei einem Friedenskonzert von Europa Cantans in Straßburg uraufgeführt wurde. Diese Besetzung ist bisher einzigartig und damit eine Bereicherung für die Akkordeonliteratur, zumal es schon allein für die Kombination Akkordeon und Orgel keine Originalliteratur gibt. Die Bereicherung besteht aber auch im Ansinnen des Stückes, das zwar nicht direkt kirchlich ist, mit dem aber das christliche Selbstverständnis der Komponistin deutlich wird, die sich in ihren Werken immer wieder für die Erhaltung bzw. die Schaffung des Friedens einsetzt.

Der gleiche Gedanke wird auch in der Anfang 2000 fertiggestellten Komposition Herr, wir rufen alle Dich für S, A, Akk, Sax und Git – einer ebenfalls außergewöhnlichen Instrumentenkombination (allein schon durch Akk und Sax) – aufgegriffen und gesteigert. Brunhilde Sonntag vertont hier Gedichte von Dowid Sfard und Hinde Nejman sowie Gebete von E.M.S.-G.. Die Gedichte, denen jeweils ein Gebet folgt, geben sehr sensibel und nachdrücklich Gedanken bzw. Gefühle bezüglich der Ereignisse im ›Dritten Reich‹ wider. (Ohne an dieser Stelle eine detaillierte Gedichtanalyse folgen lassen zu wollen, soll hier ein wenig auf den Inhalt und die Zusammenstellung von Gedichten und Gebeten eingegangen werden, um sich dem theologischen Ansinnen der Komponistin zu nähern.) So steht zu Beginn ( Wie können die Vögel)


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